Hin zu einer nachhaltigeren Ernährung: Könnten Mehlwürmer eine Lösung sein? Understand article

Mehlwürmer sind Insekten mit hohem Nährwert und könnten eine Quelle tierischer Proteine sein, die nachhaltiger ist als traditionelle Nutztiere.

Mit einer Weltbevölkerung, die jedes Jahr wächst und voraussichtlich bis 2050 die 10000 Millionen erreichen wird, steigt auch der Bedarf an Nahrungsmitteln, besonders an tierischen Proteinen, ständig an.[1]Aber das meiste Vieh, das traditionell von Menschen konsumiert wird, hat jedoch einen großen Wasser- und CO2-Fußabdruck und benötigt viel landwirtschaftliche Nutzfläche. Die Produktion von Viehfutter hat üblicherweise einen weit größeren Einfluss auf die Umwelt als der direkte Wasser- und Landverbrauch der Tiere, und auch der Verlust von Biodiversität hängt mit dem Gebrauch von Land zur Viehfuttererzeugung zusammen. Daher ist es wichtig, nachhaltigere Alternativen in Betracht zu ziehen, wie zum Beispiel Mehlwürmer. Mehlwürmer (Abbildung 1) sind essbare Insekten reich an hochqualitativen Proteinen, essentiellen Aminosäuren, vorteilhaften Fettsäuren und wertvollen Mikronährstoffen.[2] Mehlwürmer haben auch einen kleineren ökologischen Fußabdruck verglichen mit traditionellem Viehbestand, was sie zu einer ausgezeichneten Option zur nahrhaften und umweltfreundlichen Ergänzung unserer Ernährung macht.[1, 3]

Eine Person mit einem Behälter voll Mehlwürmern in den Händen.
Abbildung 1: Gefrorene Mehlwurmlarven
Mit freundlicher Genehmigung der Autoren und des Fotografen Maks Sešlar

Was genau sind Mehlwürmer?

Mehlwürmer sind überhaupt keine Würmer, sondern die Larven der Mehlkäfer: Schwarzbraune Käfer von ungefähr 13 – 16 mm Körperlänge und einem oval geformten Körper. Die Larven (Mehlwürmer) sind goldgelb gefärbt und können bis zu 25 mm lang werden. Die Käfer durchlaufen einen Entwicklungszyklus ähnlich dem der Schmetterlinge, eine komplette Metamorphose genannt (Abbildung 2), mit vier unterscheidbaren Lebensphasen. Die Käfer kommen ursprünglich aus Eurasien wurden durch den Menschen jedoch auf der ganzen Welt verbreitet.[4] Oft findet man sie als Ungeziefer in gelagerten Nahrungsmitteln.[5]

Abbildung 2: Die vier verschiedenen Lebensphasen des Mehlkäfers. Der weibliche Käfer legt ungefähr 500 Eier, aus denen junge Larven schlüpfen (Mehlwürmer). Die Larven verbringen 3-4 Monate mit fressen, sich häuten und wachsen. Danach verpuppen sie sich für 10-30 Tage. Während dieser Zeit durchlaufen sie die Metamorphose und werden zu ausgewachsenen Käfern.[4]
Mit freundlicher Genehmigung der Autoren, angepasst aus Ref. [6]

Mehlwürmer als Nahrung

Insekten (besonders ihre Larven) werden in vielen verschiedenen Kulturen auf der ganzen Welt als alltägliches Nahrungsmittel genutzt, wie zum Beispiel Mopane-Würmer in Zimbabwe, Termiten in Kenia und Grashüpfer in Mexico,[7] ] und werden oft als Delikatessen angesehen – nicht nur wegen ihres Geschmacks, sondern auch wegen ihres hohen Nährwerts.[2] Mehlwürmer wurden zunächst als Futtermittel für exotische Tiere eingesetzt, haben aber in den letzten Jahren als nachhaltige Alternative zu derzeitigen Proteinquellen für den menschlichen Verzehr Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Von allen verfügbaren Spezies hat sich der Mehlkäfer (T. molitor, Abbildung 3) als am geeignetsten für die kommerzielle Zucht erwiesen.[5]

Mehlwürmer haben viele potenzielle Vorteile als Nahrungsquelle. Sie können Nahrungsmittelabfälle effizient in essbares Protein umwandeln und haben einen hohen Nährwert. Außerdem haben sie  signifikant niedrigere ökologische Auswirkungen als herkömmliche Viehzucht; sie benötigen viel weniger Wasser und Land, ihre Treibhausgasemissionen sind geringer und sie haben bessere Futter-zu-Protein-Umwandlungsraten verglichen mit Schweinen, Kühen und Geflügel.[3]Mehlwürmer können ein Futterverwertungsverhältnis (feed conversion ratio, FCR: das Gewicht von konsumiertem Futter geteilt durch die Gewichtszunahme des Tieres)  von gerade mal 2.2 haben, aber das hängt stark von Futter und Lebensphase ab.[3] Zum Vergleich, der FCR-Wert von Rindern ist erheblich höher, im Durchschnitt bei 8.52.[8] Außerdem werden Mehlwürmer üblicherweise mit Kleie gefüttert, einem Nebenprodukt der Weizenindustrie, und können auch auf anderen organischen Abfällen aufgezogen werden. Mehlwürmer brauchen nicht viel Platz und können deshalb vertikal mit minimalem CO2-Fußabdruck aufgezogen werden, wie bereits von einigen Unternehmen gezeigt wurde.[9]

Abbildung 3: Eine Käferaufzuchtbox (links) und ofengetrocknete Mehlwürmer (rechts).
Mit freundlicher Genehmigung der Autoren und des Fotografen Maks Sešlar

Wie nahrhaft sind sie wirklich?

Die Versuchung ist groß anzunehmen, dass Mehlwürmer vom Nährwert her rotem Fleisch unterlegen sind, aber tatsächlich sind sie unglaublich nahrhaft. [2, 1013] Sie enthalten mehr Kalorien und Protein pro 100 g als herkömmliches Fleisch (Abbildung 4 a,b) und sind nicht nur ein proteinreicher Snack sondern auch voll mit Mikronährstoffen (Abbildung 4 c).

a) Es ist doppelt so viel Kalium in Sojabohnen enthalten, wie in den anderen Nahrungsmitteln, aber die Magnesium- und Phosphorgehalte sind ähnlich hoch wie bei Mehlwürmern; b) Mehlwürmer haben einen höheren Protein- und Fettgehalt als der Rest; c) Mehlwürmer haben einen höheren Kaloriengehalt verglichen mit dem Rest.
Abbildung 4: a) Der durchschnittliche Kaloriengehalt von Mehlwürmern verglichen mit anderen Proteinquellen. b) Vergleich von Protein- und Fettgehalt. c) Vergleich von Mineralstoffgehalt. 
Mit freundlicher Genehmigung der Autoren, Daten aus Ref. [2, 1013]

Von Mehlwürmern zu Mahlzeiten

Zusätzlich zu Mineralien enthalten Mehlwürmer viele wichtige Fettsäuren, so wie Ölsäure, Palmitinsäure, Linolsäure sowie Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren.[2] Wenn wir Mehlwürmer mit Pflanzenprotein wie Sojabohnen vergleichen, sehen wir, dass Soja ebenfalls eine großartige Quelle für essentielle Nährstoffe ist.  Obwohl es auch Umweltprobleme mit Sojabohnen gibt – insbesondere die Umwandlung von Wald und anderen wertvollen Habitaten in Ackerland für den intensiven Anbau von Tierfuttermittel[14] – haben diese einen niedrigeren ökologischen Fußabdruck als tierisches Protein. Ein einfacher Vergleich des Protein- und Fettgehalts mit dem enthalten in tierischen Produkten ist allein jedoch nicht aussagekräftig, da sich die genaue Zusammensetzung von Aminosäuren und Fettsäuren erheblich unterscheidet. Mehlwürmer enthalten alle essentiellen Aminosäuren, obwohl die Verdaulichkeit von Insektenprotein etwas niedriger ist als die von Protein von Wirbeltieren. Wegen ihrer Exoskelette enthalten Mehlwürmer auch unverdauliche Ballaststoffe in Form von Chitin, welches auch in Pilzen vorkommt,[15] und es gibt Hinweise darauf, dass dies gesunde Darmbakterien fördern könnte.[11]

Mehlwürmer sind ein vielseitiges Nahrungsmittel, da sie in fast allem verarbeitet werden können, von Proteinriegeln bis hin zu vollständigen Gerichten. Sie haben einen milden, buttrigen Geschmack und können ganz serviert oder getrocknet und zu Mehl gemahlen werden, welches zu Backwaren hinzugefügt werden kann, um deren Protein- und Kaloriengehalt zu erhöhen. In unserer eigenen Küche haben wir schon leckere Proteinriegel, Pad Thai, Rührei und Kekse mit Mehlwürmern oder Mehlwurmmehl zubereitet (Abbildung 4).

Abbildung 4: a) Pad Thai mit Mehlwürmern als Ersatz für Hühnchen. b) American Cookies aus selbstgemachtem Mehlwurmmehl.
Mit freundlicher Genehmigung der Autoren und des Fotografen Maks Sešlar

Mehlwürmer als Fleischalternative oder Nahrungsmittelzusatz zu verkaufen ist aufgrund ihres Aussehens dennoch schwierig – viele Menschen ekeln sich vor ihnen. Dieses Problem kann man durch den Gebrauch von Insektenmehl umgehen, wodurch die Mehlwürmer fast unsichtbar werden, wenn sie in einem Gericht verarbeitet werden. Dennoch ist es entscheidend, den dringenden Bedarf an nachhaltigen Lösungen zur Minderung des Umwelteinflusses der traditionellen Fleischherstellung anzuerkennen. Indem wir unsere Perspektive ändern und Vorurteile überwinden, können wir Mehlwürmer und andere Alternativen zu herkömmlichem Fleisch in unsere Ernährung aufnehmen und unseren ökologischen Fußabdruck verringern. Nachhaltigere und mitfühlendere Ernährungssysteme anzunehmen ist grundlegend für das langfristige Wohlergehen des Planeten und kommender Generationen.[11, 16]

Wie sieht es mit ihren Abfällen aus?

Mehlwürmer sind nicht nur Eiweißreich, sondern werden auch für ihre herausragenden Düngefähigkeiten gepriesen. Ihre Ausscheidungen, das sogenannte Fraßmehl (Abbildung 6), sind reich an Stickstoff (N), Kalium (K), Phosphaten (P) und anderen Mikronährstoffen, welche essentiell für das Wachstum von Pflanzen sind und ein idealer organischer Ersatz für mineralische NPK-Dünger, welcher auch noch nachhaltig und mit geringem Einfluss auf den Boden produziert wird.[1]

Abbildung 5: Mehlwürmer und ihr Fraßmehl  
Mit freundlicher Genehmigung der Autoren und des Fotografen Maks Sešlar

Fazit

Mehlwürmer haben sich als ein herausragendes Insekt erwiesen, dass uns helfen könnte, den immer größer werdenden Bedarf an tierischem Protein zu decken, gleichzeitig dabei weniger Platz, Wasser und Futter als traditionelles Vieh benötigt und einen ausgezeichneten organischen Dünger als Nebenprodukt produziert. Wenn du also die Chance bekommst, Mehlwürmer zu probieren, vergiss die Vorurteile und finde heraus, was sie zu bieten haben!  

Acknowledgements

Die Autoren danken dem Fotografen Maks Sešlar, einem Studenten der Biotechnischen Fakultät der Universität Ljubljana, Slowenien, für seine freundliche Unterstützung und die schönen Fotos. Die Vorbereitung dieses Artikels wäre ohne die Hilfe von Mitgliedern verschiedener Institutionen aus akademischer Forschung und Industrie nicht möglich gewesen. Die Autoren danken herzlich all jenen, deren Arbeit einen wichtigen Beitrag zu diesem Thema geleistet hat und weiterhin leistet. 


References

[1] Houben D et al. (2020) Potential use of mealworm frass as a fertilizer: Impact on crop growth and soil properties. Scientific Reports 10: 4659. doi: 10.1038/s41598-020-61765-x

[2] Ravzanaadii N et al. (2012) Nutritional value of mealworm, Tenebrio molitor as food source. International Journal of Industrial Entomology 25: 93–98. doi: 10.7852/IJIE.2012.25.1.093

[3] Berggren Å, Jansson A, Low M (2019) Approaching ecological sustainability in the emerging insects-as-food industry. Trends in Ecology & Evolution 34: 132–138. doi: 10.1016/j.tree.2018.11.005

[4] Ein Artikel auf der Webseite des Macalester College über die biologischen Eigenschaften der Mehlkäfer: https://www.macalester.edu/ordway/biodiversity/inventory/mealwormbeetle/

[5] Rumbos C I et al. (2020) Evaluation of various commodities for the development of the yellow mealworm, Tenebrio molitor. Scientific Reports 10: 11224. doi: 10.1038/s41598-020-67363-1

[6] Ong S Y et al. (2018) A novel biological recovery approach for PHA employing selective digestion of bacterial biomass in animals. Applied Microbiology and Biotechnology 102: 2117–2127. doi: 10.1007/s00253-018-8788-9

[7] Ein Artikel, der zehn Insektendelikatessen aus der ganzen Welt auflistet: https://www.finedininglovers.com/article/insect-delicacies-around-world

[8] Davison C et al. (2023) Feed conversion ratio (FCR) and performance group estimation based on predicted feed intake for the optimisation of beef production. Sensors 23: 4621. doi: 10.3390/s23104621

[9] Majewski P et al. (2022) Multipurpose monitoring system for edible insect breeding based on machine learning. Scientific Reports 12: 7892. doi: s41598-022-11794-5

[10] Mariod A A (2020) Nutrient composition of mealworm (Tenebrio molitor). In Mariod A A (eds) African edible insects as alternative source of food, oil, protein and bioactive components pp 275–280. Springer. ISBN 978-3-030-32952-5

[11] de Carvalho N M et al. (2019) Study of in vitro digestion of Tenebrio molitor flour for evaluation of its impact on the human gut microbiota. Journal of Functional Foods 59: 101–109. doi: 10.1016/j.jff.2019.05.024

[12] FoodData Central Suchergebnisse, Datenbank des U.S. Department of Agriculture: https://fdc.nal.usda.gov/fdc-app.html#/food-details/174032/nutrients

[13] Siemianowska E et al. (2023) Larvae of mealworm (Tenebrio molitor L.) as European novel food. Agricultural Sciences 4: 287–291. doi: 10.4236/as.2013.46041

[14] Ein Artikel des World Wide Fund for Nature (WWF) über Soja: https://wwf.panda.org/discover/our_focus/food_practice/sustainable_production/soy/

[15] Lenardon M D, Munro C A, Gow N A R (2010) Chitin synthesis and fungal pathogenesis. Current Opinion in Microbiology 13: 416–423. doi: 10.1016/j.mib.2010.05.002

[16] Bonin L, Hafner Korošec J, Marko J (2023) Mokarji (Tenebrio molitor) kot trajnostna super hrana prihodnosti. Trdoživ: Bilten slovenskih terenskih biologov in ljubiteljev narave pp 42–43. Botanično društvo Slovenije. ISSN 2232-5999

Resources

Author(s)

Luka Bonin ist Student der Biotechnischen Fakultät der Universität Ljubljana, Slowenien. Er arbeitet in einer Gruppe junger Wissenschaftler unter der Führung von Marko Jeran am “Jožef Stefan” Institut, Ljubljana, Slowenien. Er gewann bereits nationale Preise für seine Forschung zu den mikrobiellen Eigenschaften natürlicher Materialien.

Marko Jeran arbeitet in der Abteilung für Anorganische Chemie und Technologie, “Jožef Stefan” Institut, Ljubljana, Slowenien. Zu seinen Interessen gehören Umwandlungen in der metallorganischen Chemie, Fluorchemie, Umwandlung von ‘grünen’ Quellen zu nützlichen Materialien und die Chemie natürlicher Stoffe und Produkte. Er beschäftigt sich auch mit der Popularisierung der Naturwissenschaften und leitet Projekte für junge Wissenschaftler.

Review

Die Autoren stellen einen interessanten Fall vor, indem sie Tenebrio als potenzielle Lösung für dringende globale Probleme betrachten. Dieser Artikel befasst sich mit dem ernährungsphysiologischen und ökologischen Nutzen davon, Mehlwürmer in unsere Nahrungsmittelsysteme aufzunehmen, stellt deren ernährungstechnische Vorteile vor und betont ihren hohen Proteingehalt und ihre nachhaltige Produktion; ihr Potential gegen Mangelernährung und Proteinmangel vorzugehen, besonders in Regionen, wo diese Probleme fortdauern.

Des Weiteren adressiert der Artikel den ökologischen Einfluss der Mehlwurmzucht und betont deren Effizient und reduzierten Ressourcenverbrauch im Vergleich zu herkömmlicher Viehhaltung. Das Potential, den Druck auf natürliche Ökosysteme zu verringern, ist ein überzeugendes Argument dafür, Mehlwürmer als alternative Proteinquelle in Erwägung zu ziehen.

Hugo Miguel Ferradeira Pereira de Faria

Biologielehrer, Escola Secundária Augusto Gomes (Matosinhos)/CIIMAR- Universidade do Porto

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CC-BY
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