Manche (Mikroben) mögen’s heiß Understand article
Siedend heiße vulkanische Quellen sind die Heimat einiger bemerkenswerter Mikroorganismen. In der Biotechnologie werden Anwendungsmöglichkeiten für diese mikroskopischen Überlebenskünstler gefunden.
Mir fällt ein, dass ich als Kind, das in den 1990er Jahren den Yellowstone National Park in den USA besucht hat, die helle, gemäldeartigen Färbung der heißen Quellen zutiefst beeindruckt hat. Als ich erfuhr, dass diese Farben durch Mikroorganismen hervorgerufen werden, war ich noch mehr fasziniert – es handelt sich dabei tatsächlich um Lebewesen, die unter derartig extremen Umweltbedingungen gedeihen. Ich fand es unglaublich, dass es Organismen gibt, die unter so heißen Bedingungen überleben können, dass ordentliche Verbrennungen entstehen könnten. Mindestens genauso beeindruckend war für mich, dass die für den Abbau von Schmutzstoffen verwendeten Enzyme aus Waschmitteln aus Organismen stammen, die das entgegengesetzte Ende der Temperaturskala bevorzugen. Sie leben im Wasser, nur wenige Grade über dem Gefrierpunkt. Leben kann offensichtlich auch unter Bedingungen gedeihen, die wir bisher als völlig lebensfeindlich eingestuft hätten. Ein paar Jahrzehnte später sollte mich meine Liebe zur Chemie und meine Faszination über derartige Lebewesen verleiten, sie in Island, meiner neugewählten Heimat, genauer zu erforschen.
Welche Eigenschaften haben Thermophile?
Die vielfältige Welt des mikrobiellen Lebens umfasst die gesamte Temperaturskala, von Werten unterhalb des Gefrierpunkts bis über den Siedepunkt von Wasser hinaus. Mikroorganismen, die heiße Lebensräume bevorzugen, werden Thermophile genannt (griechisch für „Liebhaber der Hitze“). Sie sind nur eine Form der “Extremophilen“, Organismen, die unter extremen Lebensbedingungen gedeihen. Thermophile können unter heißen Bedingungen nicht nur überleben, sondern gedeihen sogar besonders gut, am besten bei Temperaturen jenseits der 50oC. Organismen, deren optimaler Temperaturbereich über 70oC liegt, nennt man hyperthermophil, jene, die kalte Umgebungstemperaturen (unter 15oC) bevorzugen, psychrophil (siehe Abbildung 1).
Die Allermeisten aus der Gruppe der Thermophilen gehören zu den Bakterien bzw. kleinen, als Archaea bezeichneten Mikroorganismen. (Im Gegensatz dazu gedeihen nur wenige Pilze und Algen unter heißen Bedingungen.) Da die einzellige Lebensform der Archaea keinen Zellkern besitzt, wurden sie früher den Bakterien zugeordnet. Durch die Untersuchung ihrer erstaunlich komplexen DNA konnte jedoch gezeigt werden, dass Archaea mit vielzelligen Organismen wie dem Menschen enger verwandt sind als mit Bakterien. Sie werden jetzt einer eigenen Domäne, einem Superreich, zugeordnet, Seite an Seite mit Bakterien und Eukaryonten (Organismen mit Zellkern). Alle Arten von Organismen werden einer dieser Domänen zugeteilt.
Siedend heiße Chemiecocktails rund um vulkanische Quellen am Meeresboden werden von einer Unzahl unterschiedlicher Archaea besiedelt. Manche Wissenschaftler/innen gehen davon aus, dass das irdische Leben an solchen Orten begonnen hat, woraus geschlossen werden kann, dass es sich bei Thermophilen um eine sehr ursprüngliche Lebensform handeln dürfte.
Hier, und dort, und überall
Seit der Entdeckung der ersten Thermophilen in den vulkanischen heißen Quellen im Yellowstone im Jahr 1966 konnten sie in unterschiedlichsten Lebensräumen nachgewiesen worden, von der Tiefsee bis zu Komposthaufen, in Haushaltswasserkochern, oder auch im Kühlbecken von Kernreaktoren. Sie tauchten sogar in Lebensmitteldosen auf: Thermoanaerobacterium saccharolyticus überlebt sogar die Sterilisation, ein für andere Mikroorganismen tödliches Verfahren. Dieses Bakterium kann sich dann langsam bei niedrigen Temperaturen in der Dose vermehren, wodurch es zur Ansammlung explosiver Gase kommen kann. Da Thermophile an so vielen unterschiedlichen Orten gefunden worden sind, kann man davon ausgehen, dass ihre Sporen weit verbreitet sind, und nur darauf warten, jederzeit wieder zum Leben erweckt zu werden.
Mein spezielles Interesse gilt den in der Umgebung geothermaler Erscheinungen vorkommenden Thermophilen, z.B. Organismen aus heißen Quellen, kochenden Schlammtöpfen, Dampfgeysiren, vulkanischen heißen Schloten oder den Schwefel-Fumarolen, die auch Solfotaren genannt werden. Diese Standorte sind weltweit verbreitet, von Italien und Island bis zum Yellowstone in den USA, oder Kamtschatka im äußersten Osten Russlands. Die geographische Isolation diese inselähnlichen Lagen hat die Entstehung einzigartiger, für jede Region spezifischer Arten ermöglicht. Es gibt aber auch Archaea, die weit verbreitet sind.
Ein anderes interessantes Merkmal geothermaler Orte wie heißer Quellen ist der dort herrschende steile Temperaturgradient: tieferliegende Unterwasserzonen sind heißer, während das Gewässer an den Rändern kälter ist. Dadurch können unterschiedliche Thermophile eine komfortable Nische entlang des Gradienten einnehmen. Fotosynthetisierende Thermophile wie die Cyanobakterien besiedeln das kühlere Ende des Gradienten, während sich weniger stark gefärbte Arten auf thermische Extreme beschränken.
Das Ergebnis ist ein bunter, das Gestein überziehender “mikrobieller Teppich, von dem jede Farbezone unterschiedliche biochemische Eigenschaften der jeweiligen Mikroorganismen repräsentiert, von den gelbgrünen Färbungen fotosynthetisierender Organismen zu den unterschiedlichen Schattierungen von Organismen, die ihre Energie aus der Verstoffwechslung von Wasserstoff-, Eisen- oder Schwefelverbindungen beziehen. Ein berühmtes Beispiel dafür sind die farbenfrohen mikrobiellen Teppiche der Grand Prismatic Spring (Großen Prismatischen Quelle) im Yellowstone, das gleiche Phänomen kann aber auch an geothermalen Erscheinungen in Island oder in anderen Gegenden beobachtet werden.
Hitzestabile Enzyme
Thermophile verdanken ihre Überlebensfähigkeit ihren Enzymen – jenen Molekülen, die hauptverantwortlich für die chemischen Abläufe in Lebewesen sind. Sie arbeiten im Inneren von Zellen als biochemische Katalysatoren. Enzyme gehören zur Strukturklasse der Proteine. Die meisten Proteine können durch Erhitzung zerstört werden. Wenn Sie z.B. ein Ei kochen, werden die Proteinmoleküle durch die Erwärmung denaturiert, dabei werden sie entfaltet und verändern dauerhaft ihre Form. Im Gegensatz dazu sind die Enzyme von Thermophilen bei hohen Temperaturen stabil. Sie können bei erhöhten Temperaturen nicht nur weiterarbeiten, sondern erledigen dies sogar noch schneller als normale Enzyme, da die Reaktionsgeschwindigkeit durch höhere Temperaturen gesteigert wird.
Ein berühmtes Beispiel für ein hitzestabiles Enzym ist die nach Thermus aquaticus, einem in Yellowstone vorkommenden Thermophilen benannte Taq-Polymerase. Das Taq-Enzym wird heutzutage in Laboratorien rund um den Globus für eine Arbeitsmethode mit dem Namen Polymerasekettenreaktion (polymerase chain reaction; PCR) verwendet. Vor der Verwendung der Taq-Polymerase war es extrem arbeitsaufwändig und teuer, eine aus wiederholten Zyklen von Aufheizung und Abkühlung bestehende PCR durchzuführen, weil bei jedem Abkühlungsschritt frisches Enzym (eine beim Erhitzen denaturierende Polymerase) zugesetzt werden musste. Mit der Taq-Polymerase kann dieser Vorgang einerseits automatisiert werden, andererseits werden nur sehr geringe Mengen des Enzyms benötigt. Mit der Taq-basierten PCR kann ein einziges DNA-Molekül in nur wenigen Stunden auf bis zu 100 Millionen Kopien vervielfacht werden. Daher liefert auch eine winzig kleine Probe von einem Tatort genug genetisches Material für einen DNA-Fingerabdruck (Fingerprint).
Die Molekularbiologie und die Forensik sind durch die Taq-PCR revolutioniert worden, thermophile Enzyme sind aber nicht nur für Gentechniklabors nützlich. Sie werden auch in einer laufend zunehmenden Zahl von Industriesparten, von der Lebensmittel- und Getränkeherstellung bis zu industriellen Prozessen eingesetzt.
So kann beispielsweise Maissirup, der einen hohen Fructoseanteil besitzt, zur Süßung von Erfrischungsgetränken verwendet werden. Erzeugt wird er durch Erhitzung einer viskosen Lösung aus Maisstärke bis zum Siedepunkt, gefolgt vom Abbau durch Zugabe verschiedener aus Thermophilen stammender Enzyme. Das Warmhalten der Lösung bietet neben der Beschleunigung der Reaktion weitere Vorteile: es macht die Lösung weniger viskos und damit leichter verarbeitbar, und es verringert den Befall mit Mikroorganismen, die zum Verderb führen könnten.
Aufschwung für den Biosprit
Dass die Herstellung süßer Getränke vereinfacht worden ist, erscheint nicht als großartiger wissenschaftlicher Fortschritt, aber andere Verwendungsbereiche von Thermophile könnten sich als großer Glücksfall für unseren Planeten erweisen. Das größte Potential dürfte im Einsatz von Thermophilen für die Erzeugung von Biosprit liegen (Scully & Orlygsson, 2014).
Neben den fossilen Brennstoffen ist Cellulose der mengenmäßig bedeutendste organische Stoff auf der Erde – ein mechanisch belastbares, faserartiges Kohlenhydrat, das von Pflanzen zur Verstärkung ihrer Zellwand gebildet wird. Wir sind in unserem Alltag permanent von Cellulose umgeben: Sie ist der Hauptinhaltsstoff von Holz, Baumwolle, Papier und allen Arten pflanzlicher Abfälle, von Sägespänen bis zu Maisstoppeln. Gäbe es eine Methode, mit der Cellulose effizient in Biosprit umgesetzt werden könnte, hätte man eine CO2-neutrale Alternative zu fossilen Brennstoffen.
Einige Thermophile können Cellulose zu Zuckern oder zu etwas größeren Kohlenhydratmolekülen, den sogenannten Oligosacchariden umwandeln. Oligosaccharide bestehen aus mehreren, miteinander verbundenen Zuckermolekülen. Diese Produkte könnten dann fermentiert werden, um Alkohol oder Wasserstoff zu gewinnen. Beide Stoffe eignen sich gut als Treibstoff. Dieser zweite Umwandlungsschritt kann ebenfalls durch Thermophile beschleunigt werden. Bisher ist für die Erzeugung von Alkohol aus Zucker vor allem Hefe eingesetzt worden ist, Thermophile haben jedoch den Vorteil, eine größere Vielfalt von Zuckern abbauen zu können. So kann das Bakterium Thermoanaerobacter ethanolicus so unterschiedliche, aus Cellulose stammende Zucker wie Xylose, Galactose und Mannose unter Bildung von Alkohol verstoffwechseln.
Die beiden Bakterienarten Clostridium thermocellum und Caldicellulosiruptor saccharolyticus können diese beiden Reaktionsschritte sogar alleine durchführen, wodurch Cellulose direkt abgebaut, und die dabei gebildete Glucose zu einer Mischung verschiedener Produkte, darunter Wasserstoff, Essigsäure und Alkohol umgewandelt wird.
Auf solche Arten konzentriert sich die Biodieselforschung zurzeit, jedoch sind noch einige Hürden zu überwinden. Ein Problem ist z.B. Thermophile zu finden, die hohe Ethanolkonzentrationen tolerieren können ohne dadurch selbst vergiftet zu werden. Dafür könnte es auch notwendig werden, genetische Veränderungen durchzuführen. Alternativ könnte das Ethanol in einer kontinuierlichen Kultur laufend entfernt werden, und die Entstehung toxischer Konzentrationen auf diese Art und Weise vermieden werden.
Zukunftsaussichten
Das technologische Potenzial thermophiler Organismen ist immens, genauso wie ihr kommerzielles Potential. 1991 hat jenes US-amerikanische Unternehmen, das die PCR mit dem Taq-Enzym entwickelt hat, das entsprechende Patent um 300 Millionen Dollar verkauft. Doch kein einziger Cent hat seinen Weg zurück in den Yellowstone Nationalpark, der natürlichen Quelle dieses Enzyms, gefunden. Damit zukünftige aus diesen genetischen Ressourcen stammende Profite aufgeteilt werden können, gelten heutzutage strenge Richtlinien für die Entnahme von Material durch Biowissenschaftler/innen. Diese Maßnahmen sollen dazu beitragen, dass diese einmaligen und wunderschönen Ökosysteme erhalten bleiben, und auch in der Zukunft weitere biotechnologische Anwendungen ermöglicht werden. Auch zukünftige Generationen heranwachsender Wissenschaftler/innen sollen dadurch inspiriert werden können.
References
- Scully S, Orlygsson J (2014). Recent advances in second generation ethanol production by thermophilic bacteria. Energies 8(1): 1-30. doi: 10.3390/en8010001
Resources
- Werfen Sie einen Blick auf die Facebookseite des Autors über thermophile Anaerobier.
- Lesen Sie über “heiße Bakterien” und wie thermophile Bakterien für die Erzeugung von Wasserstoff als Treibstoff verwendet werden können. Quelle:
- Willquist K (2012) Wasserstoff: der grüne Energieträger der Zukunft? Science in School 22.
Review
Dieser Artikel lädt die Leserinnen und Leser ein, mehr über jene mikroskopisch kleinen Lebewesen, die als Thermophile bezeichnet werden, zu erfahren und ihr faszinierendes technisches Potential kennen zu lernen. Da Thermophile – bezogen auf die Aktivität ihrer Enzyme – die Ausnahme von der Regel darstellen, kann der Artikel auch genutzt werden, um in Themen wie die Funktion von Enzymen, den Zellstoffwechsel oder die die Mikrobiologie und ihre Anwendungsmöglichkeiten einzusteigen.
Der Artikel eignet sich auch für eine zusammenfassende Aufgabestellung bei der eine der folgenden Fragestellungen behandelt werden kann:
- Wie kann die Enzymaktivität von den physikalischen Umweltbedingungen beeinflusst werden?
- Wie kann man thermophile Bakterien nutzen um unseren Planeten vor dem Treibhauseffekt zu bewahren?
Er kann auch als Grundlage für eine Unterrichtsstunde in bildnerischer Erziehung genutzt werden, mit Fotos von farbenprächtigen Thermophilen als ungewöhnlicher Stimulus für die Werke von Schülerinnen und Schülern zum Thema „Schönheit der Natur“.
Alina Giantsiou-Kyriakou, Biologielehrerin, Livadia High School, Larnaca, Zypern.