Die alltägliche Wissenschaft der Kernfusion Understand article

Entdecke die alltägliche Wissenschaft hinter dem Bestreben, Fusionsenergie – die Energie, die unsere Sterne antreibt – sicher auf der Erde zu nutzen.

Das Streben nach der Nutzung von Fusionsenergie, einer potentiell nachhaltigen und reichlich vorhandenen Energiequelle, ist bisher ein herausforderndes Projekt, da man sehr komplexe Technologie braucht, um die Energie der Sterne anzuzapfen. Dennoch sind einige grundlegende Konzepte der Kernfusion analog zu vertrauten Dingen, die wir von zu Hause, der Straße oder der Natur kennen.

Fusionsenergie ist eine Form der Energie, die entsteht, wenn Atome miteinander verschmelzen. Dieser Prozess versorgt auch die Sonne und andere Sterne mit Energie.

Die Fusion von Deuterium (2H) mit Tritium (3H) erzeugt Helium-4 und ein Neutron und setzt 17.59 Megaelektronenvolt (MeV) als kinetische Energie ihrer Produkte frei. Eine entsprechende Menge an Masse verschwindet, in Übereinstimmung mit E=mc2 (Energie ist gleich Masse mal Lichtgeschwindigkeit zum Quadrat).
Bild: Wykis/Wikimedia, Public Domain

Wissenschaftler auf der ganzen Welt arbeiten an der Entwicklung einer Möglichkeit, diese Energie auf der Erde zu nutzen. Eine der vielversprechendsten Methoden, dies zu erreichen, ist durch die Nutzung eines Gerätes mit den Namen ‚Tokamak‘.

Tokamaks

Ein Tokamak ist eine Maschine, in der eine kleine Menge Wasserstoffgas auf eine sehr hohe Temperatur erhitzt wird, bei der sich Elektronen von Atomen lösen. Diese Mischung von geladenen Teilchen heißt ‚Plasma‘. Plasma besteht aus Wasserstoffatomkernen, von denen manche zu Helium verschmelzen und während diesem Prozess eine große Menge Energie freisetzen. Das Ziel des Tokamaks ist es, dass diese Reaktion dauerhaft abläuft und eine signifikante Menge Energie erzeugt, mit der man die Haushalte und Städte der Zukunft mit Energie versorgen könnte.

Tokamak, toe-ka-mak ausgesprochen, mag sich wie ein Begriff aus einem Science Fiction Roman anhören, aber es handelt sich um eine reale Technologie, die Wissenschaftler nutzen, um uns die Energie der Sterne zu erschließen und eine neue Energiequelle hier auf der Erde zu schaffen. Ein Tokamak ist torusförmig, er ist also rund mit einem Loch in der Mitte. Mit anderen Worten: Er ist eine Maschine in der Form eines riesigen Donuts!

Eine Illustration des JET Tokamak, der von EUROfusion-Wissenschaftlern benutzt wird
Bild: EUROfusion, CC BY 4.0

Fusionsrekord

Eine der bekanntesten Tokamak-Maschinen ist der Joint European Torus (JET) in Culham, UK, der exklusiv für EUROfusion-Forschung genutzt wird. JET ist der größte Tokamak der Welt und war bisher sehr hilfreich dabei, unser Verständnis der Fusionsenergie voranzubringen. Von allen aktuell betriebenen Tokamaks kann nur der JET-Tokamak sowohl Deuterium (2H) als auch Tritium (3H) als Treibstoff nutzen. Das ist der geplante Treibstoff für fast alle zukünftigen Fusionskraftwerkdesigns der ersten Generation. Deuterium gibt es in großen Mengen im Meerwasser, während Tritium aus dem reichlich vorhanden Metall Lithium gemacht werden kann. Mit Deuterium und Tritium haben EUROfusion-Wissenschaftler am JET die größte je produzierte Fusionsenergie und Fusionskraft erreicht.

Isotope

Ein Isotop ist wie ein Geheimagent unter Atomen. Atome bestehen aus Protonen, Neutronen und Elektronen. Isotope sind Atome desselben Elements (zum Beispiel Wasserstoff oder Kohlenstoff), aber mit einer unterschiedlichen Anzahl Neutronen. Isotope desselben Elements haben die gleiche Anzahl Protonen, was ihnen dieselben chemischen Eigenschaften verleiht, aber eine unterschiedliche Anzahl an Neutronen, was ihnen andere physikalische Eigenschaften verleiht.

Die drei natürlich vorkommenden Isotope von Wasserstoff. Die Tatsache, dass jedes Isotop ein Proton besitzt, macht sie alle zu Varianten von Wasserstoff: Die Identität der Isotope ergibt sich aus der Anzahl an Protonen und Neutronen. Von links nach rechts gezeigt sind Protium (1H) mit null Neutronen, Deuterium (2H) mit einem Neutron und Tritium (3H) mit zwei Neutronen.
Bild: Dirk Hünniger/Wikimedia, CC BY-SA 3.0

Plasmakontrolle

Der Tokamak ist eine komplexe Maschine, aber viele Technologien, die in ihm zum Einsatz kommen, finden sich auch in der alltäglichen Wissenschaft. Zum Beispiel ist das Plasma im Tokamak ähnlich wie ein Blitz während eines Gewitters oder dem heißen Gas in einer Leuchtstoffröhre.

Eine Leuchtstoffröhre ist ein alltägliches Beispiel für Plasma. Elektrische Ladung fließt durch die Röhre in einer Niederdruck-Bogenentladung. Elektronen kollidieren mit Edelgasatomen und ionisieren diese um das Filament in der Röhre herum, um ein Plasma zu erzeugen.
Bild: Dmitry G/Wikimedia, CC BY-SA 3.0

Plasmas bestehen aus negativ geladenen Elektronen und positiv geladenen Atomkernen. Diese geladenen Teilchen können dank starker Magnetfelder in der Vakuumkammer eines Tokamak gehalten werden, ohne dass sie die Wände berühren. Innerhalb des Tokamak werden die Plasmateilchen auf extrem hohe Temperaturen von bis zu 150 Millionen Grad Celsius erhitzt. Das ist viel heißer als der Kern der Sonne, der schätzungsweise 15 Millionen Grad Celsius hat.

Innenansicht des JET Tokamak überlagert mit einem Bild von Plasma, das mit einer Videokamera für Licht des sichtbaren Spektrums aufgenommen wurde.
Bild mit freundlicher Genehmigung von EUROfusion

Das magnetische Einschlusssytem im Tokamak ist vom Prinzip her ähnlich wie das eines Elektromotors. Ein Elektromotor nutzt ein Magnetfeld um Bewegung zu erzeugen, während ein Tokamak ein ähnliches Konzept nutzt, um das Plasma am richtigen Ort zu halten. Die Magneten erzeugen ein starkes Magnetfeld um das Plasma herum und schließen es damit im Zentrum des Tokamak ein. Tokamaks der Zukunft werden supraleitende Magnete nutzen, welche aus speziellen Materialien gemacht sind, die Elektrizität ohne Energieverlust leiten können.

Schema eines Tokamak: Die Magnetspulen (blau und grau) werden genutzt um das Fusionsplasma zu kontrollieren.
Bild mit freundlicher Genehmigung von EUROfusion

Heizen

Wenn das Plasma im Magnetkäfig gefangen ist, ist es an der Zeit, es zu erhitzen. Eine Möglichkeit, dies zu tun, ist die Nutzung von Mikrowellen, so wie in einem Mikrowellenherd.  Die Mikrowellen im Tokamak haben aber eine viel höhere Frequenz und Energie als die in deiner Küchenmikrowelle. Beide nutzen elektromagnetische Wellen, wie Radiowellen nur mit einer höheren Frequenz/kürzeren Wellenlänge. Eine Eigenschaft dieser Wellen ist ihre Fähigkeit, Teilchen zur Bewegung anzuregen, was das Plasma aufheizt, indem es die Teilchen beschleunigt und sie mit mehr Energie kollidieren lässt. Das macht den Ablauf der Fusionsreaktion wahrscheinlicher und ist ähnlich wie das Aufwärmen von Essen in der Mikrowelle.

Eine der größten Herausforderungen bei der Entwicklung von Fusionsenergie ist es, die Fusionsreaktion andauernd zu erhalten. Wissenschaftler müssen sicher gehen, dass das Plasma heiß genug und das Magnetfeld stark genug bleibt, um das Plasma im Tokamak begrenzt zu halten, um eine signifikante Menge Energie zu erzeugen. EUROfusion-Wissenschaftler am JET haben großen Fortschritt auf diesem Gebiet gemacht und konnten anhaltende Fusionsreaktionen für jeweils mehrere Sekunden erreichen. Zukünftige Tokamaks wie der International Thermonuclear Experimental Reactor (ITER), sind darauf ausgelegt, Plasma jeweils für fünfzehn bis sechzig Minuten zu erzeugen.

Joint European Torus

JET, der Joint European Torus, ist eine alte aber leistungsfähige Maschine, die eine Schlüsselrolle für den Fortschritt unseres Verständnisses für Fusionsenergie gespielt hat. Aber wie alle Technologien ist er nicht perfekt. JET nutzt Magnete, die nicht supraleitend sind, wodurch sie schnell heiß werden, so dass sie mit hochenergetischem Plasma nur für ungefähr fünf Sekunden laufen können.  Aber keine Sorge, Wissenschaftler arbeiten bereits an neuen, verbesserten Versionen des Tokamak und haben sich etwas Bahnbrechendes einfallen lassen: supraleitende Magnete. Diese besonderen Magneten können Elektrizität ohne Energieverlust leiten und, am wichtigsten, ohne sich aufzuheizen.  Das heißt, das zukünftige Tokamaks mit supraleitenden Magneten nicht den gleichen Limitationen wie der JET unterliegen werden und länger laufen können, wodurch sie uns einen Schritt näher daran bringen, Fusionsenergie zu realisieren.

Der Joint European Torus (JET), der größte derzeit operierende Tokamak, wird seit 1983 betrieben  
Bild: EFDA JET/Wikimedia, CC BY-SA 3.0

Cool bleiben

Ein anderer wichtiger Aspekt beim Tokamak ist das Kühlsystem. Ein Tokamak wie der JET erzeugt große Mengen an Hitze, welche abgeführt werden muss, um Schaden an der Maschine zu verhindern. Der JET Tokamak nutzt hauptsächlich Trägheitskühlung, aber verfügt auch über ein limitiertes Wasserkühlungssystem zum Abführen der Hitze von seinem Divertor, ähnlich den Kühlsystemen, die heutzutage in Kraftwerken eingesetzt werden.

Zukünftig sollen Fusionskraftwerke die Hitze, die bei Fusionsreaktionen entsteht, nutzen um Dampfturbinen anzutreiben und Elektrizität zu erzeugen. Das wird den Prozess, der die Energie der Sterne erzeugt, in eine Methode verwandeln, saubere Energie hier auf der Erde zu produzieren.

Alltagswissenschaft in der Tokamak-Technologie

Der Tokamak ist eine komplexe Maschine, der eine Kombination von Technologien nutzt, um Plasma einzuschließen und die Bedingungen für den Ablauf von Fusionsreaktionen zu schaffen. Viele der Technologien im JET Tokamak können mit Alltagswissenschaft in Verbindung gebracht werden, zum Beispiel Plasma, das man als Blitz in einem Gewitter sieht, die Prinzipien elektrischer Motoren und die Mikrowellen im Mikrowellenherd. Die Herausforderung ist, all diese Technologien zu optimieren und zu einem stabilen System zusammenzubringen; eine Aufgabe, die eine umfangreiche Kollaboration zwischen Ingenieuren und Wissenschaftlern aus einer großen Breite verschiedener Felder erfordert. Obwohl das Ziel anhaltender Fusionsreaktionen und einer praktischen Energiequelle noch in Arbeit ist, bringt uns die EUROfusion-Forschung an Tokamaks wie JET näher daran, Fusionsenergie zur Realität zu machen.  


Resources

  • Finde Lehrmaterialen über Fusion auf der EUROfusion Website.
  • Die FuseNet Website enthält Schulungsunterlagen wie Kurse, Bücher, Experimente, Multimedia, Reviews und Thesen über Fusion.
  • Entdecke den ITER Tokamak auf der ‚Fusion for Energy‘-Website. Klicke auf die einzelnen Komponenten, um mehr über sie zu erfahren.
  • Nutze Plasma um auf unterhaltsame Weise jede Menge interessante Physik zu demonstrieren: Yáñez González (2016) Plasma: The fourth state. Science in School 37: 50–55.
  • Nutze Mikrowellen für spektakuläre Experimente im Unterricht: Stanley H (2009) Microwave experiments at school. Science in School 12: 30–33.
  • Lies über das JET Experiment, welches erstmals anhaltende, hohe Fusionsleistung demonstrierte: Warrick C (2022) JET sets new fusion energy record. Science in School 57.
  • Lerne mehr über die Sonne und ihre Energiequelle: Tiele Westra M (2006) Fusion in the Universe: the power of the Sun. Science in School 3: 60–62.
  • Entdecke, wie Drohnen zur Reparatur von Fusionsanlagen genutzt werden: Kidambi M (2017) Fusion drones: robot technicians for nuclear devicesScience in School 40: 8–11.
  • Lerne mehr über den Unterschied zwischen Kernfusion und Kernspaltung: EUROfusion (2021) Fusion vs fissionScience in School51.
  • Lerne mehr über Helium und warum wir es erhalten müssen: Lord M (2021) Elements in focus: heliumScience in School 53.

Institutions

Review

Einige Verständnisfragen können nach der Unterrichtstunde gestellt werden:

  • Beschreibe, was mit einer Fusionsreaktion gemeint ist
  • Erkläre die Bedeutung des Worts Torus
  • Von wo kann Deuterium gewonnen werden?
  • Erkläre, was mit ‚Isotop‘ gemeint ist
  • Beschreibe die Schwierigkeiten beim Erzeugen von Energie aus Fusionsreaktionen
  • Erkläre die Vorteile von Energie aus Fusionsreaktionen

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