Phylogenetisch tief verwurzelte Signal-Wahrnehmungs und Übertragungs Mechanismen – Zyklische Dinukleotid Moleküle auf dem Weg zu Behandlungserfolgen in der Gesundheitsfürsorge? Understand article
Von einzelligen Bakterien bis zum Menschen, zyklische Dinukleotide als sekundäre Botenstoffe, ‘second messengers’, sind sowohl zentrale Regulatoren des bakteriellen Lebensstils als auch Komponenten von Signalmechanismen die in Ein- und mehrzelligen Organismen zur Krankheitsentstehung beitragen können. Dadurch sind diese Signalwege ein attraktiver Angriffspunkt bei der Entwicklung neuer Medikamente.
Die menschliche Lebensqualität auf unserem Planeten war wahrscheinlich niemals so hervorragend wie in den letzten beiden Jahrhunderten. Obwohl die meisten der folgenreichsten und am weitesten verbreiteten Infektionen durch die Einführung von Hygienemassnahmen und Durchimpfung fast oder ganz ausgerottet wurden, sind uns Infektionskrankheiten erhalten geblieben. Eine Anzahl von Krankheitserregern, wie z.B. das HIV Virus oder SARS-CoV-2, sind sogar neu dazugekommen. Das Grippevirus, die Schnupfenviren und Herpesviren (zum Beispiel das Cytomegalovirus) infizieren erfolgreich einen grossen Teil der Weltbevölkerung. Während einige dieser, oft latent vorhandenen Viren, keine schwerwiegenden Krankheiten in gesunden Individuen verursachen, kann ein geschwächtes Immunsystem einen schweren Krankheitsverlauf nicht aufhalten. Viele andere, sogenannte ‘Zivilisationskrankheiten’ wie Krebs, Autoimmunkrankheiten und Allergien beeinflussen die Lebensqualität und das Arbeitsvermögen von Millionen Menschen auf der ganzen Welt negativ. Weiterhin wird die menschliche Lebensqualität durch ‘life-style’ verursachte Krankheiten wie Fettleibigkeit, Diabetes und kardiovaskuläre Krankheiten, nicht nur deutlich eingeschränkt, sondern die Anfälligkeit gegenüber Infektionskrankeiten inklusive durch Biofilmbildung verursachte chronische mikrobielle Infektionen deutlich erhöht (Abbildung 1).
Gemeinsame Signalmechanismen
Haben Krebs, Autoimmunkrankheiten, durch Viren verursachte Infektionen und Biofilm-assoziierte Infektionen einen gemeinsamen Nenner? Während ein Zusammanhang auf den ersten Blick nicht offensichtlich ist, haben kürzlich durchgeführte Untersuchungen die Existenz von erstaunlich ähnlichen Prinzipien von Wahrnehmungs- und Signalmechanismen ergeben.
Die Prozessierung und die Speicherung von Information hat nicht im Computerzeitalter begonnen. Alle Lebensformen, von Bakterien bis hin zum Menschen, sind von gewissen Formen der Signalübermittlung abhängig. Bemerkenswerterweise sind Prinzipien der Signalübermittlung von Bakterien bis hin zu höheren Organismen einschliesslich dem Menschen erstaunlich konserviert.[1-4]
Mindestens neun verschiedene Sinne des Menschen sind bekannt, einschliesslich der fünf klassischen Sinne: Hör-, Geruchs-, Geschmacks-, Seh- und Tastvermögen (Abbildung 2).
Ein ursprüngliches, zum Beispiel von einem Glukosemolekül hervorgerufenes Signal von ‘Süsse’ auf der Zunge oder Licht einer bestimmten Wellenlänge, als rote Farbe wahrgenommen, benötigt einen Rezeptor zur spezifischen Erkennung und Informationsweitergabe. Diese initiale Signalwahrnehmung verursacht darauffolgend eine molekulare Signalkaskade innerhalb der Zellen die, zum Beispiel, in der Produktion eines sekundären Botenstoffes mündet. Sekundären Botenstoffe, oder ’second messengers’, sind kleine diffundierende Moleküle trotzdem sehr physiologische Antworten hervorrufen können (Abbildung 3A). Eine solche Familie diesen sogenannten Botenstoffen, second messengers, sind die zyklischen Dinukleotide (ZDNe).[4-6]
Ribonukleotide
Die genetische Information die unseren Organismus und unser Leben aufbaut ist in der Erbsubstanz jedes Menschen durch die unterschiedliche Aufeinanderfolge von nur vier Deoxyribonukleotiden eingeschrieben. Durch die Transkription dieser Information wird eine kurzlebige komplementäre RNA Sequenz bestehend aus den vier korrespondierenden Ribonukleotiden hergestellt: Adenosin triphosphat (ATP), Guanosin triphosphat (GTP), Cytidin triphosphat (CTP), und Uridin triphosphat (UTP).
Diese Moleküle haben jedoch weitere lebenswichtige Funktionen über ihre genetische Funktion hinaus; zum Beispiel ist ATP die haupsächliche Energiewährung der Zellen. Nukleosid triphosphate sind aber auch die Bausteine von zyklischen Nukleotiden und zyklischen Dinukleotiden, die aus zwei Nukleosid-monophosphaten, über den Ribosezucker durch zwei Phosphodiesterbindungen verbunden, bestehen. Diese zyklischen Dinukleotide sind zentrale Signalmoleküle in allen drei Zweigen, Bakterien, Archeaen und Eukaryonten, des phylogenetischen Stammbaumes.
DNA Signale bei Gesundheit und Krankheit
Mit Bakterien oder einem DNA-Virus infizierte Zellen können mit ähnlichen Signalmechanismen reagieren. Unsere eigene DNA ist normalerweise nur im Zellkern oder in den Mitochondrien lokalisiert; virale oder bakterielle DNA im Zytoplasma wird daher als ‘out-of-place’ wahrgenommen und wird von dem cGAS Enzym erkannt. Als Antwort darauf synthetisiert cGAS ein zyklisches Dinukleotid (2’3’-GMP-AMP; Abbildung 3A and B) als Signalmolekül. Dieses Signalmolekül bindet an das zentrale Sensorprotein STING, was im Gegenzug zur Aktivierung von angeborenen antiviralen und antitumor Immunabwehrmechanismen führt.[4-6]
Neben Infektionen können auch weitere Erbgut-schädigende Stresssituationen, denen die Zelle ausgesetzt ist, wie zum Beispiel radioaktive Strahlung, exzessives Sonnenlicht und Chemotherapie, ‘out-of-place’ DNA im Zytoplasma positionieren. DNA Stress im Zytoplasma ist auch während der Chromosomenverdopplung, in Krebszellen und während des natürlichen Alterungsprozesses der Zelle zu beobachten. Weiterhin können genetische Mutationen in Schlüsselenzymen die kontinuierlich mit der Säuberung von ‘out-of-place’ DNA beschäftigt sind, zur Anreicherung von DNA im Zytoplasma führen, ein Zustand der zu chronischen Entzündungen führt. Diese Mechanismen können im längeren Verlauf zur Entwicklung von schweren Autoimmunkrankheiten wie Gelenkrheumatismus und systemischen Lupus erythematodes, oder altersbedingten neuronalen Dysfunktionen wie Alzheimer’s beitragen (Abbildung 3A).
Bakterien fühlen auf ähnliche Weise
Nicht nur höhere Organismen, auch Bakterien haben hoch komplexe Kaskaden zur Signalerkennung und Signal-Weiterverarbeitung[1, 2, 7] bei denen zyklische Dinukleotide eine Schlüsselrolle spielen (Abbildung 3C). Zum Beispiel ist das bakterielle zyklische Dinukleotid zyklisches di-GMP (neben anderen, weniger häufig vorkommenden zyklischen Dinukleotiden) so gemeinhin pråsent und strukturell konserviert, dass es als ’mikrobiell-assoziiertes molekulares Muster’ Molekül zur weitreichenden Stimulation des angeborenen und adaptiven Immunsystemes auf bakterielle Infektionen fungiert. In den Bakterien selbst reguliert zyklisches di-GMP die fundamentale Entscheidung, der Führung des mikrobiellen Lebensstils einzelnen Zellen, zwischen Motilität und Sessilität. Letztendlich führt dieses durch zyklisches di-GMP vermittelte Umschalten im Lebensstil zur Bildung von multizellulären Biofilmen, die im Patienten schwer zu behandelnde mikrobielle Infektionen verursachen. Mit dem Übergang zum sessilen Lebensstil des Biofilms ändern sich auch viele physiologische und metabolische Prozesse, wie Photosynthese in Cyanobakterien, Antibiotikaproduktion, die Produktion von Virulenzfaktoren in Human-, Tier- und Pflanzenpathogenen sowie die Empfänglichkeit gegenüber Phageninfektionen in kommensalen Bakterien (Abbildung 3C).
Von der Wahrnehmung zur Heilung
Die Schlüsselrolle von zyklischen Dinukleotiden als sekundären Botenstoffen bei der Signaltransduktion bietet die Möglichkeit zur Entwicklung von Behandlungsstrategien. Zum Beispiel kann der zyklische di-GMP Signalweg in bakteriellen Pathogenen unterbrochen werden um Biofilm-assoziierte Infektionen besser behandeln zu können. Weiterhin können durch zyklische Dinukleotide vermittelte Prozesse, die zu Autoimmunität und vorschnellem Altern beim Menschen führen, durch antagonistische Substanzen unterbunden werden. Das gegensätzliche Vorgehen, Aktivierung des zyklischen Dinukleotid Signalweges, ist zur Zeit schon als potentielle Behandlungsstrategie gegen virale Infektionen und Krebs in klinischer Prüfung.
Die Funktionalität von zyklischen Dinukleotiden als sekundären Botenstoffen ist weitverbreitet und am Beginn der Evolution von Leben verankert. Zyklische Dinukleotide als temperatur-resistente Moleküle kommen schon in thermophilen Mikroben, die zu den ältesten Lebensformen auf der Erde zählen, vor. Das Wissen über Signalwege in diesen Lebensformen erlaubt uns Einblicke woher wir als Menschen kommen und wie wir uns selbst wieder heilen können.
References
[1] Kresge N, Simoni RD, Hill RL (2005) Earl W. Southerland’s discovery of cyclic adenine monophosphate and the second messenger system. J Biol Chem. 280: E39–E40. doi: 10.1016/S0021-9258(19)48258-6
[2] Ross P et al. (1987) Regulation of cellulose synthesis in Acetobacter xylinum by cyclic diguanylic acid. Nature 325: 279–281. doi: 10.1038/325279a0
[3] Römling U, Galperin MY, Gomelsky M (2013) Cyclic di-GMP: the first 25 years of a universal bacterial second messenger. Microbiol Mol Biol Rev. 77: 1–52. doi: 10.1128/mmbr.00043-12
[4] Ablasser A et al. (2013) cGAS produces a 2′-5′-linked cyclic dinucleotide second messenger that activates STING. Nature 498: 380–384. doi: 10.1038/nature12306
[5] Gekara NO, Jiang H (2019) The innate immune DNA sensor cGAS: A membrane, cytosolic, or nuclear protein? Sci Signal. 12: eaax3521. doi: 10.1126/scisignal.aax3521
[6] Danilchanka O, Mekalanos JJ (2013) Cyclic dinucleotides and the innate immune response. Cell. 154: 962–970. doi: 10.1016/j.cell.2013.08.014
[7] Witte G et al. (2008) Structural biochemistry of a bacterial checkpoint protein reveals diadenylate cyclase activity regulated by DNA recombination intermediates. Mol Cell. 30: 167–178. doi: 10.1016/j.molcel.2008.02.020
Resources
- Sehen Sie sich ein Video zur Einführung in die Zellsignalisierung als Hintergrund zu diesem Artikel an.
- Erfahren Sie mehr über die Entdeckung des ersten zyklischen Nukleotid-Botenstoffmoleküls, das 1971 mit einem Nobelpreis ausgezeichnet wurde.
- Lesen Sie weitere Understand-Artikel über biomedizinische Forschung:
- Schmerbeck S et al. (2021) Organ-on-chip systems and the 3Rs. Science in School 54.
- Le Guillou I (2021) Clinical trials count on more than statistics. Science in School 52.
- Chugh P (2019) Cells: why shape matters. Science in School 46: 8–13.
- Amponsah PS (2016) Cellular redox – living chemistry. Science in School 36: 15–17.