Der Permafrost lüftet seine Geheimnisse Understand article
Übersetzt von Hildegard Kienzle-Pfeilsticker. Das Studium von Permafrost erlaubt es uns, nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch in die Zukunft zu schauen. Miguel Ángel de Pablo, Miguel Ramos, Gonçalo Vieira und Antonio Molina erklären, wie das geht.
Gegen den eisigen Wind der Antarktis kämpfen sich vier massige Gestalten den Berg hinauf. Sind das vielleicht Pinguine? Seehunde? Nein. Es sind Permafrostwissenschaftler – gut eingepackt gegen die Kälte und beladen mit High-Tech-Ausrüstung.
So verbringen wir jedes Jahr etwa zwei Monate, bevor wir in unsere warmen europäischen Labors zurückkehren, um unsere Daten zu analysieren. Was machen wir und warum?
Was ist Permafrost?
Wenn zu Winterbeginn die Temperaturen sinken, bildet sich Eis auf Pfützen oder Teichen. Bleibt die Temperatur lange genug unter 0 °C, friert auch der Boden. Manchmal kann der Boden für mehr als zwei Jahre gefroren bleiben; das nennen wir Permafrost.
Das passiert natürlich nur in extremer Umgebung: Permafrost findet man meist um die Pole und auf hohen Bergen (Abbildung 1). In der nördlichen Hemisphäre, wo er am meisten untersucht wurde, bedeckt Permafrost trotzdem 20% der Landfläche.
Im Permafrost können Stellen auftreten, die das ganze Jahr über aufgetaut bleiben (Taliks). Sie sind die Folge lokalen Drucks, hoher Salzkonzentration oder von fließendem Grundwasser. Das bedeutet, dass der Permafrost große Bereiche ununterbrochen bedecken kann, aber auch unterbrochen oder sogar wie ein Flickenteppich zusammengesetzt sein kann (Abbildung 1). Die Tiefe des Permafrostes variiert je nach Umgebung stark: er kann mehrere hundert Meter in die Tiefe reichen oder, wie auf dem aktiven Vulkan Deception Island in der Antarktis, nur drei Meter.
Detecting permafrost
Theoretisch ist das Aufspüren von Permafrost relativ leicht: einfach einen Thermometer in den Boden stecken und zwei Jahre lang regelmäßige Messungen vornehmen. Komplizierter aber wird es, wenn man genaue und repräsentative Daten erhalten will. Der Grund ist, dass die oberste Bodenschicht direkt durch Sonnenstrahlung und Wetter beeinflusst wird und daher im Gegensatz zum darunter liegenden Permafrost während der warmen Jahreszeit auftaut.
Die Oberflächenschicht über dem Permafrost nennt man aktive Schicht. Durch die sich wiederholenden Gefrier-Auftau-Zyklen können sich eigenartige kleine Landformen bilden wie polygonale Bereiche, Steinkreise und gemusterte Flächen.
Diese Landformen können daher auf darunter liegenden Permafrost hinweisen. Zum Nachweis führen wir und andere Permafrostwissenschaftler zwischen 50 Zentimetern und 50 Metern tiefe Bohrungen durch, um dort Temperatursensoren zu platzieren.
Nach mehreren Jahren Datenprotokollierung können wir bestimmen, ob Permafrost existiert und wie sich seine thermale Evolution abgespielt hat, das heißt, wie sich die Bodentemperatur während der aufgezeichneten Periode in verschiedenen Tiefen verändert hat.
Was können wir von Permafrost lernen?
Warum wollen wir und andere Wissenschaftler wissen, ob der Boden unter der Oberfläche gefroren ist? Permafrost kann Bedeutung für das tägliche Leben haben, ebenso wie er uns Aussagen über das Klima vergangener und künftiger Zeiten auf der Erde erlaubt; er kann uns sogar Aufschlüsse über andere Planeten geben.
Durch die Messung der oberflächennahen Temperatur können wir erkennen, ob die aktive Schicht zunimmt – weil der Permafrost darunter taut – oder abnimmt. Dies gibt uns Auskunft darüber, wie sich das Klima wandelt, denn die Dicke hängt nicht nur von der Lufttemperatur ab, sondern auch von anderen Faktoren wie der Schneebedeckung. Durch die Dickenüberwachung der aktiven Schicht an unterschiedlichen Stellen der Erde können wir den Einfluss der globalen Erwärmung auf die Bodentemperaturen untersuchen.
Permafrost gibt nicht nur über unser derzeitiges, sondern auch über unser vergangenes Klima Auskunft. Wärmt sich ein Felsblock während des Tages auf, kühlt er in der folgenden Nacht ab. Er wird jedoch für einige Zeit Wärme speichern – besonders tief im Inneren des Felsen, weit entfernt von der Oberfläche, von der er Wärme verliert. Temperaturmessungen an unterschiedlichen Tiefen im Felsblock zeigen uns dessen frühere thermischen Verhältnisse an. Dasselbe können wir im Permafrost tun – je tiefer wir graben, desto weiter reisen wir in die Vergangenheit.
Böden und Felsen leiten Wärme jedoch mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten in Abhängigkeit von ihrer Zusammensetzung und Struktur; wir nennen das Wärmeleitfähigkeit. Kennen wir die Wärmeleitfähigkeit von Boden und Felsen im Permafrost, können wir Tiefe in Zeit umwandeln und die Klimaevolution über die letzten Jahrzehnte oder Jahrhunderte rekonstruieren. Finden wir beispielsweise kältere Felsen unter der Oberfläche, ist das ein Hinweis darauf, dass das Klima in dieser Tiefe (zu dieser Zeit) kälter als heute war. Theoretisch wären diese Berechnungen auch mit nicht gefrorenem Boden möglich. Nicht gefrorener Boden wird aber auch vom geothermalen Gradienten (der Hitze aus dem Erdinneren) beeinflusst. In Permafrost spielt die Oberflächentemperatur eine viel bedeutendere Rolle.
Wissenschaftler haben kürzlich entdeckt, dass die aktive Schicht den Klimawandel nicht nur anzeigt, sondern sogar zu ihm beiträgt. In der nördlichen Hemisphäre enthalten Permafrostböden riesige Mengen gefrorenen organischen Materials. Die Zunahme der aktiven Schicht durch die globale Erwärmung setzt diese organischen Substanzen der Zersetzung durch Mikroorganismen aus. Dadurch gelangen die wichtigen Treibhausgase Kohlenstoffdioxid und Methan in die Atmosphäre und erhöhen die Geschwindigkeit der globalen Erwärmung.
Permafrost kann auch einen direkten Einfluss auf Menschen haben und zwar in Bereichen wo Häuser, Straßen oder Eisenbahnen auf Permafrost gebaut wurden.
Taut Permafrost auf, lässt die Bodenfestigkeit nach und Bauten können zusammenfallenw1 (Abbildung 5). Durch die globale Erwärmung wird dies häufiger passieren. Das Aufspüren von Permafrost unter der Oberfläche kann Ingenieuren in die Lage versetzen, vorsichtshalber stärkere Konstruktionen zu planen oder gar nicht erst auf Permafrost zu bauen.
Letztlich hilft uns Permafrost, die Dynamik anderer Planeten, wie dem Mars, zu verstehen. Der Mars enthält große Mengen an gefrorenem Wasser, welches Permafrost bildet (Abbildung 6). Das Studium der Permafrostevolution auf der Erde kann uns so beim Verständnis des vergangenen und heutigen Marsklimas helfen. Künftige dauerhafte Basen könnten sogar Permafrost vom Mars als Wasserquelle nutzen.
Das Studium von Permafrost in der Antarktis
Unser Team hat über zwei Jahrzehnte lang Langzeitforschung von Permafrost an unterschiedlichen Stellen in Livingston und der Deception-Insel in der Region der antarktischen Halbinsel gemacht. Wir messen die Bodentemperatur nahe der Oberfläche und innerhalb von Bohrlöchern in einer Tiefe von 25 Metern. Wir überwachen die Temperatur im Boden, vergleichen sie mit Luft- und Oberflächentemperaturen und untersuchen die Einflussfaktoren auf die Bodentemperatur: das reicht von Windgeschwindigkeit über Eigenschaften der Felsen wie Wärmeleitfähigkeit, Porosität und Feuchtigkeit. Ebenso messen wir jährlich die Dicke der aktiven Schicht während der Tauwetterperiode. Einige Bohrlöcher wurden 25 Jahre lang kontinuierlich überwacht; andere wurden während der letzten sechs Jahre gebohrt.
Die Region der Antarktischen Halbinsel haben wir uns ausgesucht, weil:
- Die meiste Permafrostforschung wird in der nördlichen Halbinsel betrieben. Daher wollten wir die überwachten Bereiche erweitern. Wie unsere Kollegen im Norden verwenden wir internationale Protokolle, wie sie von der Internationalen Permafrostgesellschaft (IPA) definiert sind (IPA), um die aktive Schicht zu überwachen und die Temperatur innerhalb der Bohrlöcher zu messenw2.
- Die Halbinsel ist eine der wenigen eisfreien Gebiete der Antarktis – das ist wichtig, weil Permafrost stabil ist, solange Eis über ihm ist, und wir wollten die aktive Schicht untersuchen.
- Sie befindet sich nahe an der nördlichen Permafrostlinie der Antarktis, an der die Temperaturen nahe 0 ºC liegen und der Permafrost daher empfindlicher auf Klimaänderungen reagiert.
Was sagen unsere Daten? Das Hauptergebnis: Obwohl manche früheren Gegenden mit Permafrost nun das ganze Jahr über aufgetaut sind, ist der meiste Boden auf Livingston und der Deception-Insel fast genauso gefroren, wie vor 10 Jahren, trotz globaler Erwärmung (Abbildung 8). Diese lokalen Unterschiede werden durch die Eigenschaften der Erde und der Felsen bestimmt: Stoffe mit höherer Wärmeleitfähigkeit, beispielsweise, tauen schneller. Daher erwarten wir, dass während der nächsten Jahrzehnte Permafrost mit geringerer Wärmeleitfähigkeit ebenfalls von der globalen Erwärmung beeinflusst werden wird. Wir hoffen, dass wir, warm eingehüllt, regelmäßig in die Antarktis zurückkehren werden, um das herauszufinden.
Web References
- w1 – Der US-amerikanische Public Broadcasting Service hat eine Aktivität entwickelt, mit der man im eigenen Klassenzimmer Permafrost bilden kann, ein Haus darauf bauen und die Konsequenzen des Auftauens beobachten kann. Siehe: www.pbs.org/edens/denali/permawht.htm
- w2 – Die Internationale Permafrost-Gesellschaft kooordiniert die internationale Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern und Ingenieuren, die über Permafrost arbeiten. Siehe: www.ipa-permafrost.org
Resources
- Das US-amerikanische Schnee und Eis-Datenzentrum unterhält eine pädagogische Webseite über gefrorene Böden, die viele Aktivitäten und Quellen über Permafrost einschließt. Siehe: http://nsidc.org/frozenground
- Das Wissenschaftliche Komitee für Antarktische Forschung bietet eine Menge Unterrichtsmaterial über die Antarktis für Schüler aller Altersstufen und verschiedener Sprachen an, ebenso wie passende Kleidung für einen Antarktisforscher. Siehe: www.scar.org/about/capacitybuilding/antarcticeducation
- Das United States Antarctic Museum hat eine Liste von Unterrichtsvorschlägen für Lehrer und Quellen für Schüler erstellt, um die Antarktis erfahrbar zu machen. Siehe: www.usap.gov/usapgov/educationalResources.cfm?m=5
- Einige wunderschöne Bilder von der Antarktis, die man im Unterricht verwenden kann, findet man unter: www.coolantarctica.com
- Die Erfahrungen eines Lehrers während eines Ausflugs in die Antarktis finden Sie unter:
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Hayes (2007) Teaching on ice: an educational expedition to Antarctica. Science in School 6: 78-81.
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- 25 Jahre sind vergangen, seitdem über der Antarktis ein Ozonloch entdeckt wurde. Die Ursache und die aktuelle Situation wird erklärt unter:
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Harrison T, Shallcross D (2010) Ein Loch im Himmel. Science in School 17.
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Review
Viele Leute wissen, was Permafrost ist: gefrorener Boden. Aber wenn Forscher jahrzehntelang Permafrost untersuchen, dann muss dahinter viel mehr stecken, als nur diese einfache Information.
Dieser Artikel beschreibt, was Permafrost ist, wie man ihn erforschen kann, was man aus dieser Forschung lernen kann und warum die erhaltene Information wertvoll ist. Zusätzlich enthält er Informationen für viele Unterrichtsfächer und Themen für den Unterricht in Sekundarschulen inklusive Biologie (z. B. Ökologie), Umweltwissenschaften (z. B. Klimawandel), Physik und Chemie (z. B. Wasser und Materialeigenschaften), Geologie (z. B. Eigenschaften von Fels) und Meteorologie (z. B. Wind und Temperatur).
Für Schüler der unteren Sekundarstufe (Alter 13 – 15) wäre der Artikel eine gute Informationsquelle für Permafrost, wie er untersucht wird und welche wichtige Information in ihm steckt. Ältere Schüler (Alter 16 – 19) würde der Artikel beim Verständnis dafür helfen, dass alles, was auf dem Planeten geschieht, direkte oder indirekte Auswirkungen hat, die weit über unsere Vorstellungskraft hinausgehen. Beispielsweise wird den Schülern bewusst werden, dass die globale Erwärmung menschliche Landnutzung und Entwicklung negativ beeinflussen kann.
Geeignete Verständnis- und Diskussionsfragen wären:
- Was sind, hinsichtlich Eigenschaften und Vorkommen, die Hauptunterschiede zwischen Permafrost, Talik und der aktiven Schicht?
- Welche Kriterien werden von Wissenschaftlern üblicherweise zur Lokalisierung von Permafrostbereichen verwendet?
- Erkläre, wie Änderungen in der aktiven Schicht zur globalen Erwärmung beitragen können.
- Warum ist es wichtig, die Temperatur in verschiedenen Tiefen innerhalb des Permafrosts zu messen?
- Eine Baufirma plant den Bau von Häusern in einer Permafrostgegend. Würden Sie diese Pläne unterstützen? Erklären Sie Ihren Gedankengang.
Der Artikel eignet sich am besten für Schulunterricht in den Ländern Nordeuropas, ebenso für Länder mit hohen Bergen, weil diese Länder Permafrost haben. Dennoch kann dieser Artikel wertvolle Information für jede Schulklasse auf der ganzen Welt liefern, weil der Klimawandel ein globales Problem ist und Permafrost sowohl beeinflusst als auch von ihm beeinflusst wird.
Michalis Hadjimarcou, Zypern