Synchrotronstrahlung beleuchtet die dunkle Herkunft des Orang-Utan Understand article
Übersetzt von Maren Lorenzen (http://www.ezy-traduction.com). Paul Tafforeau von der Universität in Poitiers und dem Europäischen Synchrotronstrahlungslabor in Grenoble, Frankreich, erläutert, was uns Untersuchungen mit Synchrotronstrahlung an fossilen Zähnen über die Evolution von…
Heute sind die Hominoidae (Menschenähnliche, umgangssprachlich auch Hominiden) nur mit fünf Gattungen vertreten: Gibbons, Orang-Utans, Gorillas, Schimpansen und unsere eigene Spezies (Art), Homo sapiens. Im Miozän vor 20 bis 6 Millionen Jahren hingegen war diese Gruppe vielfältiger, was die zahlreichen (ungefähr 20) fossilen Gattungen zeigen, die in Afrika, Asien und Europa entdeckt wurden.
Die ältesten Hominiden lebten vor etwa 20 Millionen Jahren in Afrika. Die ersten Hominiden außerhalb Afrikas werden auf ein Alter von etwa 16,5 Millionen Jahre datiert, jedoch sind viele verschiedene Formen bekannt, die in Europa und Asien vor 12 bis 6 Millionen Jahren lebten. Nach und nach verlor die Gruppe an Vielfalt, wahrscheinlich aufgrund von klimatischen Veränderungen. Mehrere Hypothesen wurden vorgeschlagen, um die phylogenetischen (die Stammesgeschichte betreffenden) Beziehungen zwischen den fossilen und den noch vorhandenen Arten zu erklären, und um ihre Paläobiogeographie zu beschreiben, das heißt ihre geographische Migration und Diversifizierung.
Die traditionelle Annahme ist, dass Afrika der hauptsächliche Ort der Diversifizierung während des gesamten Miozäns war. Dabei fanden aufeinander folgende Wanderungen nach Europa und Asien mit lokaler Evolution auf allen drei Kontinenten statt (Karte A).
Während der letzten Jahre entstand jedoch eine neue Hypothese. Sie schlägt ebenfalls vor, dass die Hominiden aus Afrika stammen, jedoch wanderten primitive Formen dann in Richtung Asien. Nach einer weitgehenden Auslöschung in Afrika wurden Europa und Afrika dann durch sukzessive Wanderungen aus Asien erneut bevölkert (Karte B). Nach dieser Hypothese war Asien und nicht Afrika der hauptsächliche Ort der Diversifizierung. Die für die Überprüfung dieser beiden Szenarien entscheidenden Fossilien sollten deshalb in Asien gefunden werden.
Im Jahr 2003 führten Forschungen in Thailand zu der Entdeckung einer zuvor unbekannten Art fossiler Hominide von vor 12 Millionen Jahren (Chaimanee et al., 2003). Etwa 20 einzelne Zähne (Abbildung 1A), die mehreren männlichen und weiblichen Einzeltieren zugeordnet werden konnten, zeigten, dass diese Art ein großer Hominide mit starken geschlechtlichen Unterschieden war. Das Männchen war viel größer als das Weibchen und hatte stärker entwickelte Eckzähne. Diese Art bekam die Bezeichnung Lufengpithecus chiangmuanensis.
Zahnschmelz (Enamelum) ist das am meisten mineralisierte Gewebe in Wirbeltieren. Deshalb sind Zähne sehr stark und widerstandsfähig gegenüber mechanischer und chemischer Erosion. Dies gemeinsam mit der Tatsache, dass sie nur sehr wenig organisches Material enthalten, das von Mikroorganismen zersetzt werden kann, führt dazu, dass Zähne häufig besser während des Fossilisationsprozesses erhalten bleiben, als der restliche Organismus, Knochen eingeschlossen. In der Tat besteht die überwiegende Mehrheit der verzeichneten Fossilien von Wirbeltieren aus Zähnen und die meisten paläontologischen Studien (Studien von Fossilien) an Wirbeltierüberresten (einschließlich Hominiden) basieren auf Zähnen. Zum Glück für den Paläontologen haben Zähne viele anatomische Eigenschaften, die mit der Stammesgeschichte (Phylogenie) und der Funktion verknüpft sind, ob nun zur Ernährung oder als Geschlechtsmerkmal (die Männchen vieler Primaten haben beispielsweise besonders ausgeprägte Backenzähne).
Zusätzlich zu einer klassischen paläontologischen Untersuchung der äußeren Zahnmorphologie wurde die interne Struktur der Zähne des L. chiangmuanensis zerstörungsfrei untersucht, was eine bis dahin unerreichte Qualität ergab (Chaimanee et al., 2003; Tafforeau, 2004; Tafforeau et al., 2006). Am Europäischen Synchrotronstrahlungslabor (ESRF)w1 in Grenoble, Frankreich, wurden die Zähne in drei Raumrichtungen mit Synchrotron-Mikrotomographie, einem Bild gebenden Verfahren, untersucht. So wurde es möglich, die Dicke und Verteilung von Zahnschmelz präzise zu bestimmten (Abbildung 1B), ohne dass dafür die Zähne aufgeschnitten werden mussten. Die Verknüpfung von traditioneller Paläontologie und Mikrotomographie-Analysen offenbarten, dass diese fossile Art mehr dem modernen Orang-Utan als irgendeinem der bekannten fossilen Hominiden in Asien ähnelt. Daher wurde vorgeschlagen, dass L. chiangmuanensis ein Vorfahre des Orang-Utans sein könnte.
Im Jahr 2004 wurde ein weiteres, etwa 7 Millionen Jahre altes Fossil in Thailand entdeckt. Diese schöne Mandibel (unterer Kieferknochen; Abbildung 2A) konnte einer wiederum anderen Art zugeordnet werden: Khoratpithecus piriyai (Chaimanee et al., 2004). Anhand ihrer Größe, der Größe der Backenzähne und der Knochenmorphologie wurde vermutet, dass sie von einem Männchen stammt. Ein daraufhin folgender Vergleich dieses Fossils mit den Zähnen von L. chiangmuanensis zeigte, dass diese beiden Formen einander mehr ähnelten und deshalb in einem engeren Verwandtschaftsverhältnis zueinander standen, als zu irgendeinem anderen Fossil oder einer anderen noch vorhandenen Art. Die ältere Art, L. chiangmuanensis, wurde daraufhin der neuen Gattung zugeordnet und umbenannt in Khoratpithecus chiangmuanensis.
Der Unterkiefer von K. piriyai wurde ebenfalls am ESRF mittels Synchrotron-Mikrotomographie untersucht, was zur ersten Abtastung hoher Qualität eines solch großen Fossils eines Hominiden führte. Unter Verwendung dieses außergewöhnlichen Datensatzes war es möglich, die Zahnstruktur und die Knochenarchitektur (Abbildung 2B) zu analysieren und virtuell die Zähne aus der rechten Seite des Unterkiefers herauszulösen, um die Größe und die Form der Zahnwurzeln zu untersuchen (Abbildung 2C; Tafforeau, 2004; Tafforeau et al., 2006; Chaimanee et al., 2006).
Die 3D-Daten der Zähne von K. chiangmuanensis wurden für eine virtuelle Rekonstruktion der Kiefer verwendet (Abbildung 3), was weitergehende Vergleiche der allgemeinen Morphologie der Kiefer und der relativen Größe der Zähne der beiden Khoratpithecus-Arten ermöglichte. Dies zeigte, dass ihre Ähnlichkeiten sogar noch größer waren als anfangs gedacht. Zudem rechtfertigte dies vollständig die Zuordnung zu einer einzigen Gattung, die auf Grundlage klassischer paläontologischer Untersuchungen gemacht worden war.
Die Verwendung einer Bild gebenden Synchrotron-Röntgentechnik an diesen Fossilien erlaubte es, anatomische Eigenschaften zu enthüllen, die sonst nicht hätten untersucht werden können, ohne die Fossilien zu zerstören. Diese Analysen auf dem neuesten Stand der Wissenschaften in Kombination mit mehr traditionellen paläontologischen Studien ergaben, dass Khorapithecus die bekannte Gattung ist, die am nächstem mit den Orang-Utans verwandt ist. Die Untersuchungen zeigten aber auch, dass obwohl K. piriyai (die jüngste Art) viele anatomische Eigenschaften hat, die für Orang-Utans typisch sind, sie auch spezialisierte Merkmale aufweist. So hat K. piriyai beispielsweise eine Backenzahnmorphologie, die sich von der des modernen Orang-Utans stark unterscheidet. Der Backenzahn ähnelt einem Dolch und der dritte Molar ist extrem verbreitert. Von dem was von anderen Abstammungslinien bekannt ist, ist es sehr unwahrscheinlich, dass sich so viele Spezialisierungen zunächst entwickeln und daraufhin wieder verschwinden.
Deshalb ist K. piriyai mit ziemlicher Sicherheit nicht ein direkter Vorfahre des modernen Orang-Utans, obwohl er mit ihm verwandt ist. K. chiangmuanensis, die ältere Art mit weniger spezialisierten Zahneigenschaften, ist eher ein möglicher Vorfahre des Orang-Utans. Obgleich neue Fossilien benötigt werden, um die Hypothese zu überprüfen, ist es möglich, dass sich die Abstammungslinie der Orang-Utans von primitiven Formen der Gattung Khoratpithecus abgeleitet haben und dass sich die zwei Äste auf unterschiedliche Weise entwickelt haben und sowohl zu den Orang-Utans als auch zu den späteren Khoratpithecus-Arten wie zum Beispiel K. piriyai führten.
Wir können nun zu unseren beiden Hypothesen zur Hominidenevolution zurückkehren: Afrikanische und asiatische Diversifizierung. Die beiden Arten Khoratpithecus und zahlreiche andere fossile Taxa (Gruppen von Lebewesen, die eine systematische Einheit bilden) aus Asien weisen eine größere Vielfalt auf als afrikanische hominoide Fossilien des gleichen Zeitraums. Es sind obendrein sowohl sehr spezialisierte als auch primitive Arten in Asien gefunden worden. Der hohe Diversifizierungsgrad und die breite geografische Verteilung in geologischen Schichten der asiatischen Hominiden (von vor 16,5 Millionen Jahren bis heute) legen gemeinsam stark nahe, dass Asien ein wichtiges, vielleicht sogar das hauptsächliche Zentrum der Diversifizierung der Hominiden im Miozän war. Mehr und mehr neigt sich daher die moderne paläologische Forschung in Richtung der neuen Hypothese für die Evolution der Hominiden: unsere hominiden Vorfahren stammen aus Afrika, daraufhin diversifizierten sie sich in Asien und bevölkerten Afrika und Europa erneut.
References
- Chaimanee Y et al. (2003) A Middle Miocene hominoid from Thailand and orangutan origins. Nature 422: 61-65. doi:10.1038/nature01449
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- Chaimanee Y et al. (2004) A new orang-utan relative from the Late Miocene of Thailand. Nature 427: 439-441. doi:10.1038/nature02245
- Zum kostenlosen Herunterladen des Artikels hier oder abonniere Nature unter : www.nature.com/subscribe
- Chaimanee Y et al. (2006) Khoratpithecus piriyai, a late Miocene hominoid of Thailand. American Journal of Physical Anthropology 131: 311-323. doi:10.1002/ajpa.20437
- Tafforeau P (2004) Aspects phylogénétiques et fonctionnels de la microstructure de l’émail dentaire et de la structure tridimensionnelle des molaires chez les primates fossiles et actuels : apports de la microtomographie à rayonnement X synchrotron. Dissertation, Université de Montpellier II, France
- Tafforeau P et al. (2006) Applications of X-ray synchrotron microtomography for non-destructive 3D studies of paleontological specimens. Applied Physics A, Materials Science & Processing 83: 195-202. doi: 10.1007/s00339-006-3507-2
Web References
- w1 – Das Europäische Synchrotronlabor (ESRF) ist eine internationale Einrichtung mit 18 beteiligten Ländern, das die leistungsfähigste Synchrotronstrahlungsquelle in Europa betreibt, unterhält und entwickelt. Mehr als 5000 Forscher/innen kommen jährlich an das ESRF, um die Quelle und die zugehörigen Instrumente zu verwenden.
- ESRF ist ein Mitglied des EIROforums, einer Zusammenarbeit von 7 europäischen, zwischenstaatlichen Forschungsorganisationen und Herausgeber von Science in School.
Resources
- Eine Erläuterung zur Verwendung von Synchrotronlicht am ESRF finden Sie hier.
- Tafforeau P et al. (2005) Synchrotron Radiation Microtomography: A Tool for Paleontology. ESRF Newsletter 42: 22-23.
- Für Informationen über die Universität von Poitiers siehe: www.univ-poitiers.fr
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Review
Ich war immer schon vom Wissen über die menschliche Evolution fasziniert. Fragen wie ‚Woher kommen wir?’ und ‚Wer war unser gemeinsamer Vorfahre?’ werden oft sowohl von Schülern als auch Wissenschaftlern gestellt. Dieser Artikel beschreibt eine Methode die dabei hilft, die Hypothese der menschlichen Evolution zu festigen: dass unser menschenähnlicher Vorfahre aus Afrika stammt, sich daraufhin in Asien diversifizierte und Afrika und Europa erneut bevölkerte. Dieser Artikel könnte für Schüler im Alter zwischen 16 und 18 Jahren im Biologieleistungsunterricht verwendet werden. Er kann im Unterricht über die allgemeine Evolution und insbesondere die Entwicklung des Menschen sehr von Nutzen sein. Dieser Artikel könnte auch in Physikstunden verwendet werden um zu zeigen, dass die moderne Anwendung von Röntgenstrahlung ein kostbares Werkzeug für Biologen sein kann.
Sølve Tegnér Stenmark, Norwegen