Pflanzenpathologie: Auch Pflanzen können krank werden! Understand article

Du hast vielleicht in Krimiserien schon von Pathologie gehört, aber was ist Pflanzenpathologie? Entdecke die Millionen Jahre alte Fehde zwischen Pflanzen und Krankheitserregern.

Pflanzen sind grundlegend für das Leben auf der Erde. Sie speichern die Energie der Sonne, nehmen Kohlenstoff aus der Atmosphäre auf und Mineralien aus der Erde. Pflanzen haben die erstaunliche Ausstattung um fast alles herzustellen was wir brauchen; Sauerstoff, Medikamente, Biotreibstoffe, Kleidung und Nahrungsmittel. 

Der Ertrag der Hauptnahrungspflanzen (Mais, Weizen und Reis) lag 2021 bei 2.5 Milliarden Tonnen.[1] Über fünf Milliarden Menschen auf dem Planeten, sowie unsere Nutztiere, benötigen sie als Grundnahrungsmittel.   Diese Getreide sind oft die Produkte von Monokulturanbau, bei dem nur eine Getreideart pro Feld angebaut wird. Dies birgt Risiken, wie zum Beispiel die erhöhte Anfälligkeit für Krankheiten.

Pflanzen können krank werden

Falls du jemals einen Garten gepflegt hast oder einfach nur durch den Wald gelaufen bist, hast du wahrscheinlich bemerkt, dass zwar die meisten Pflanzen grün und gesund, manche aber krank aussehen.  Zusätzlich durch Schäden aus der Umwelt können Pflanzen von allen Arten von Krankheitserregern wie Viren, Bakterien und Pilzen befallen werden. Diese Pathogene können alle Teile der Pflanze befallen: Blätter, Triebe, Stämme, Blüten, Früchte, Wurzeln oder Knollen.

Ein Kartoffelblatt mit Symptomen von Kraut- und Knollenfäule, die von einer Infektion mit Phytophthora infestans (Mehltau) verursacht wird.
Bild: Howard F. Schwartz/Wikipedia, CC BY 3.0

Pflanzenkrankheiten haben sehr ernste Folgen für Biodiversität und Getreideproduktion. Der Kastanienrindenkrebs, der von dem Pilz  Cryphonectria parasitica verursacht wird,hat zum Beispiel mit 3.5 Milliarden verlorenen Bäumen bis Ende der 1900er die amerikanische Kastanie fast ausgelöscht.[2] IPflanzenpathogene haben 2019 40 % der Verluste an Mais, Kartoffeln, Reis, Sojabohnen und Weizen verursacht, einen Schaden von 181 Milliarden £ weltweit.[3] Dieser riesige wirtschaftliche Einfluss spiegelt den Verlust von Nahrungsmitteln sowie von wertvollen natürlichen Ressourcen wie Trinkwasser, Energie und fruchtbarem Land wider, welche zur Herstellung dieser Getreide verwendet wurden.  

Ein Beispiel für die Risiken vom Anbau in Monokultur ist die Panamakrankheit. Die Gros Michel-Banane war bis in die 1950er die hauptsächlich angebaute Sorte, bis ein einziger pathogener Pilz (Fusarium oxysporum) die komplette Produktionspflanze ausgelöscht hat und die Produzenten dazu zwang, auf eine resistente Sorte umzusteigen. Im Moment bedroht ein neuer Ausbruch der Panamakrankheit auch die neue Hauptbananensorte, Cavendish, da sich der Krankheitserreger entwickelt hat um die Resistenz der Pflanze zu umgehen.[4]

Symptome von Pflanzenkrankheiten

Pflanzenkrankheiten verursachen eine Bandbreite von Symptomen, zum Beispiel abnormales Aussehen von Blättern, Stamm, Blüten oder Früchten. Während manche Krankheiten Pflanzen umbringen, stören andere nur ihr Wachstum. Das strawberry mild yellow edge virus, SMYEV zum Beispiel bremst das Wachstum der Pflanze und entfärbt ihre Blätter, so dass diese gelb werden, die sogenannte Blattrandvergilbung. (Abbildung 1A).[5]

Manche Pathogene können ganze Bäume befallen. Das Eschensterben zum Beispiel, welches vom Pilz Hymenoscyphus fraxineus ausgelöst wird, infiziert zuerst die Blätter der Esche, welche dadurch welken und braun werden (Abbildung 1B). Wenn es sich ausbreitet verursacht es Läsionen (Gewebeverletzungen) bei Ästen und Stamm (Abbildung 1C), die den Baum letztendlich umbringen, indem sie seine Wasser- und Nährstofftransportsysteme abschneiden.[6]

FAbbildung 1: A) Symptome der Blattrandvergilbung bei einer Erdbeerpflanze.[5] B)  Welke Blätter verursacht durch das Eschensterben. C) Rindenläsionen auf einem Ast, verursacht vom Eschensterben.[6]
Bilder: A) ©Frank J Louws, Verwendung mit freundlicher Genehmigung. B)  M J Richardson/Geograph, CC BY-SA 2.0. C) Freundlicherweise zur Verfügung gestellt durch The Food and Environment Research Agency (Fera)/Wikimedia, Crown Copyright.

Bestimmte Pflanzenpathogene verursachen so einzigartige Symptome, dass diese zum Kunstthema wurden (Abbildung 2). Die Zeichen von Pflanzenkrankheiten können zahlreiche Formen und Muster annehmen, von hässlich über faszinierend bis hin zu wunderschön. 

Abbildung 2: Links: Flecken auf Bananenblättern, die durch den Pilz Mycosphaerella fijiensis verursacht werden. Rechts: Maisbrand verursacht vom Pilz Ustilago maydis.
© Helen Pennington, Verwendung mit freundlicher Genehmigung

Die Rembrandt-Tulpe hat eine besonders interessante Geschichte: Eine virale Infektion der Tulpen verursacht streifenförmige Muster auf den Blütenblättern, was im 17. Jahrhundert während der ‚Tulpenmanie‘ stark gefragt war.[7] Aufgrund der Unwissenheit, dass diese Tulpen eigentlich krank waren, wurde der Markt schnell unhaltbar, weil die Pflanzen von Generation zu Generation schwächer wurden. 

Zeit, sich zu wehren!

Pflanzen sind ständig Pathogenen ausgesetzt und verbringen ihre meiste Zeit damit, diese mit ihrem starken Immunsystem erfolgreich abzuwehren. Normalerweise sind die meisten Pflanzen gegen die meisten Krankheitserreger resistent und Krankheiten sind eher die Ausnahme als die Regel. Ohne das hochgradig effiziente Immunsystem der Pflanzen wäre unser Planet nicht so grün.

Wodurch wird das pflanzliche Immunsystem so effizient? Pflanzen haben ein vielschichtiges angeborenes Immunsystem mit Abwehrmechanismen innerhalb und auf der Oberfläche von Zellen entwickelt. 

Das pflanzliche Immunsystem

Pflanzen haben, genau wie Tiere, mehrere Abwehrmechanismen gegen Eindringlinge entwickelt, die man mit einer mittelalterlichen Burg vergleichen kann. Die erste Verteidigung bieten physikalische Grenzen, so wie Rinde oder Kutikula, die wie Burggräben oder Mauern funktionieren. Tierischer Schleim und pflanzliche Drüsen sind wie Soldatentruppen, die allgemeinen und dauernden Schutz sicherstellen. Die zweite Verteidigungslinie, welche aktiviert wird, wenn der Krankheitserreger die erste Linie durchbricht, ist das angeborene Immunsystem. Dies hängt von der Fähigkeit der Pflanze ab, die Anwesenheit des Pathogens zu entdecken. 

Bild freundlicherweise zur Verfügung gestellt durch die Autoren

Pflanzen besitzen eine Reihe von Rezeptoren, die einzigartige Eigenschaften eindringender Mikroorganismen erkennen und nachgeschaltete Antworten auslösen. Es gibt pathogenspezifische Moleküle, die von Pflanzen nicht hergestellt werden, wie zum Beispiel Flagellin (spezifisch für Bakterien) oder Chitin (aus Zellwänden von Pilzen). Diese Stoffe werden von Pflanzenrezeptoren entweder auf der Oberfläche oder im Inneren von Pflanzenzellen detektiert und warnen die Pflanze vor der Anwesenheit eines fremden Eindringlings. Die Abwehrmechanismen, die durch aktivierte Rezeptoren ausgelöst werden, beinhalten die Produktion von Toxinen and pathogenabbauenden Enzymen. Üblicherweise sehen wir auch hypersensitiven Zelltod, bei dem eine begrenzte Fläche an Zellen kollabiert um den Krankheitserreger an seiner Ausbreitung zu hindern. Das kann man als eine Art Selbstzerstörung zum Schutz gesunder benachbarter Zellen verstehen.

Bild freundlicherweise zur Verfügung gestellt durch die Autoren

Pflanzen haben keine spezialisierten Immunzellen wie Tiere. Stattdessen kann jede Pflanzenzelle autonom reagieren. Außerdem können Pflanzen während ihrer Lebensdauer keine Immunitäten gegen neue Krankheitserreger erwerben, wie es Menschen und Tiere tun. Die Kapazität von Pflanzen, einer Krankheit zu widerstehen, ist durch ihr Genmaterial vorherbestimmt und liegt in jeder Zelle vor.   Ein sprießender Keim enthält bereits alle Informationen, die er braucht, um Krankheiten zu bekämpfen, die ihm in seinem Leben begegnen werden. Das nennt sich angeborene Immunität.

Während diese angeborene Immunität den Pflanzen durch die Jahrhunderte gut gedient hat, stellt sie eine große Schwäche dar, wenn Pathogene Wege entwickeln, um das Sicherheitssystem der Pflanzen zu umgehen, so wie bei der Banane und der Panamakrankheit. Pflanzen entwickeln zwar oft neue Resistenzen, aber das benötigt Generationen natürlicher Selektion. Dieses evolutionäre Wettrüsten zwischen Pflanzen und Pathogenen läuft seit Jahrtausenden, viel länger als der Mensch auf diesem Planet lebt.

Neue Resistenzen zu entwickeln kann für eine wilde Pflanze Jahre dauern, aber so lange können Landwirte nicht warten, wenn ihr Getreide gefährdet ist. Die Zusammenarbeit zwischen Landwirten und Wissenschaftlern ist daher entscheidend, um Pflanzenkrankheiten zu verstehen und zu handhaben. 

Wie können Wissenschaftler helfen?

Pflanzenzucht ist die Wissenschaft der Verbesserung von Pflanzen durch das Einbringen neuer Eigenschaften und das Verwerfen anderer. Das wird schon seit Beginn des Ackerbaus durch Landwirte und Gärtner gemacht und ist eine der Möglichkeiten, wie Wissenschaftler helfen können. 

Klassische Zucht beinhaltet die Auswahl von zwei Sorten, jede mit einer Eigenschaft von Interesse, und deren Kreuzung, um Nachkommen mit einer Mischung der Eigenschaften der Elternpflanzen zu bekommen. Züchter selektieren dann die Pflanzen mit beiden gewünschten Eigenschaften. Zum Beispiel kann man eine krankheitsresistente Tomate mit einer anfälligen Tomate, die dafür aber größere Früchte produziert, kreuzen. Das gewünschte Ergebnis wäre in diesem Fall eine Tomatenpflanze, die krankheitsresistent ist und größere Tomaten produziert. Solche Kreuzungen können aber unberechenbar sein und es kann Jahre dauern, stabile Pflanzen mit den gewünschten Eigenschaften zu erhalten. Bedeutende Fortschritte in der Gentechnologie in den letzten Jahrzehnten ermöglichen es Wissenschaftlern, gezielter an die Sache heranzugehen und den Prozess zu beschleunigen.

PiperPlus.27 ist eine Sorte der Maris Piper-Kartoffel, die entwickelt wurde, gegen die Knollenfäule resistent zu sein. Die Kartoffeln links sind die Negativkontrollgruppe (mit Wasser angeimpft) und die rechts wurden mit Phytophthora infestans angeimpft.  Die Ergebnisse zeigen, dass die normale Maris Piper-Kartoffel durch die Infektion zerstört wird, aber die konstruierte PiperPlus.27 resistent ist.
Bild: Andrew Davis

Kürzlich haben Wissenschaftler es geschafft, die Zeit deutlich zu reduzieren, die zum direkten Einbringen genetischer Veränderungen auf gezielte Weise benötigt wird. Genetische Modifikationen können in zwei Kategorien unterteilt werden:  Gentechnik und Gen-Editierung.

Gentechnik, auch allgemein als Genmodifizierung (GM) oder Transgenese bezeichnet, bedeutet das Transferieren von DNS einer Art in eine andere, entweder von einem verwandten Getreide oder einer ganz anderen Spezies. Diese modifizierten Getreide müssen strengen Sicherheitstests und Regularien unterzogen werden, bevor sie auf den Markt kommen.

Gen-Editierung ist eine präzisere Methode, die DNS einer Pflanze zu modifizieren und ermöglicht gezielte Veränderungen ohne das Einbringen fremder DNS. Das erzeugt Ergebnisse ähnlich denen der konventionellen Zucht, nur viel schneller. Nur die Frage, ob gen-editierte Pflanzen vergleichbar mit gentechnisch veränderten Pflanzen sind, bleibt noch offen.

Obwohl Viren die häufigste Ursache von Infektionen bei Menschen sind, werden die meisten ernsten Pflanzenkrankheiten von Pilzen oder Scheinpilzen verursacht. Diese Pathogene gedeihen bei heißen und feuchten Bedingungen, was aufgrund des Klimawandels immer problematischer wird. Um die Vielfalt der Getreidepflanzen zu bewahren, erforschen Wissenschaftler nachhaltige Ansätze, um Pflanzenkrankheiten zu kontrollieren und unsere Abhängigkeit von chemischer Kontrolle zu verringern. Das könnte die Zucht von krankheitsresistenten Getreiden beinhalten oder die Entwicklung natürlicher Wirkstoffe gegen Pflanzenpathogene, aber auch landwirtschaftliche Praktiken wie Fruchtwechsel, Sanierungen oder andere Managementtechniken zur Kontrolle der Verbreitung von Pflanzenkrankheiten. 

Pflanzenwissenschaftler am Sainsbury Laboratory
Bild: Stephen Bornemann

Oft wird eine Kombination solcher Ansätze für den zuverlässigen und nachhaltigen Umgang mit Krankheiten in unterschiedlichen Teilen der Welt benötigt. Pflanzenforschung umfasst alle Bereiche des Pflanzenlebens und Pflanzenwissenschaftler arbeiten hart, um die Anzahl der Optionen, die Landwirten zur Verfügung stehen, zu erweitern.  


References

[1] OECD Daten zur Getreideproduktion: https://data.oecd.org/agroutput/crop-production.htm

[2] Fisher MC, et al. (2012) Emerging fungal threats to animal, plant and ecosystem health. Nature 484: 186–94. doi: 10.1038/nature10947

[3] He S, Creasey Krainer KM (2020) Pandemics of People and Plants: Which is the Greater threat to Food Security. Molecular Plant 13: 933–934. doi: 10.1016/j.molp.2020.06.007

[4] Der Krankheitserreger fusarium wilt verursacht eine neue Bananenpandemie. Ein Artikel im European Research & Innovation Magazin: https://ec.europa.eu/research-and-innovation/en/horizon-magazine/calling-natural-defences-turn-back-banana-pandemic

[5] Eine NC State Extension Veröffentlichung über Viren, die Erdbeeren befallen: https://content.ces.ncsu.edu/strawberry-mottle-smov-of-strawberry

[6] Die Informationsseite über das Eschensterben der UK Forest Research Organisation: https://www.forestresearch.gov.uk/tools-and-resources/fthr/pest-and-disease-resources/ash-dieback-hymenoscyphus-fraxineus/

[7] Die wahre Geschichte der niederländischen Tulpenmanie Mitte der 1600er: https://www.history.com/news/tulip-mania-financial-crash-holland

Resources

Author(s)

Dr Adeline Harant ist eine Pflanzenpathologin, die mit allen Arten von Pflanzenpathogenen arbeitet. Sie ist zur Zeit leitende wissenschaftliche Mitarbeitende im Sainsbury Laboratory in Norwich, wo sie dafür sorgt, dass das Labor reibungslos läuft.

Hsuan Pai ist technische Assistentin im Sainsbury Laboratory. Als Wissenschaftlerin hilft sie dem Team, Pflanzenimmunsystemnetzwerke zu entschlüsseln. Außerhalb der Forschung genießt sie es, zu zeichnen und zu basteln und interessiert sich dafür, wissenschaftliche Konzepte durch Illustrationen zu vermitteln.

Mia Cerfonteyn ist eine Biologin, die zur Wissenschaftskommunikatorin wurde, und hat eingehendes Wissen über molekulare Ökologie. Sie arbeitet im Sainsbury Laboratory als Kommunikationsbeauftragte, wobei sie viel über die spannende Forschung, die gerade im Labor läuft, schreibt.

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