Im Netz der Wissenschaftler: Antimaterie, Cholesterin und rote Blutkörperchen Understand article
Übersetzt von Alois Regl. Science in School wird von EIROforum publiziert, einem Zusammenschluss von acht der größten europäischen zwischenstaatlichen Forschungsorganisationen. Dieser Artikel präsentiert einige der aktuellen Neuigkeiten von den EIROforum Mitgliedern (EIROs).
EIROforum
EIROforum vereinigt die Resourcen, die Standorte und die Expertise seiner Mitgliedsorganisationen, um das volle Potenzial der europäischen Wissenschaft auszuschöpfen. Mehr darüber auf: www.eiroforum.org
CERN: Antimaterie in der Falle
Präzisionsstudien von Antimaterie – dem schwer zu fassenden Gegenstück der normalen Materie – sollten Wissenschaftlern helfen, herauszufinden, warum alle Antimaterie, die im Urknall entstand, verschwunden ist. Das viel versprechendste neue „Anti-Objekt“ ist Anti-Wasserstoff, das einfachste Element in einer hypothetischen Anti-Welt.
Die ersten neun Antimaterie-Atome wurden 1995 am CERN produziert. Aber mit nahezu Lichtgeschwindigkeit waren sie zu schnell für Präzisionsmessungen. Der nächste Durchbruch kam 2002, als es dem ATHENA Experiment gelang, Millionen von langsamen Anti-Wasserstoff-Atomen herzustellen. Aber man benötigte weitere neun Jahre für den nächsten Schritt – ein paar von ihnen einzufangen. Vor einiger Zeit ist es Forschern des ALPHA Experiments am CERN gelungen, 38 Anti-Atome für 172 Millisekunden einzufangen. Im Juli 2011 publizierten sie, dass es ihnen gelungen war, einige Hundert für bis zu 15 Minuten zu halten. Das eröffnet die Möglichkeit, mit Hilfe von ultra-präzisen Lasern einen genauen Vergleich der Energieniveaus von Wasserstoff und Anti-Wasserstoff durchzuführen.
Mehr darüber erfahren Sie in der Publikation:
The ALPHA Collaboration (2011) Confinement of antihydrogen for 1000 seconds. Nature Physics 7: 558-564. doi: 10.1038/nphys2025
Das CERN (Genf, Schweiz) ist das weltgrößte Teilchenphysiklabor. Mehr Infos auf: www.cern.ch
EFDA-JET: Der JET ist wieder gestartet
22 Monate nach seinem letzten Betrieb und der Montierung von 4.500 neuen Kacheln an den Innenwänden nahm der EFDA-JET- Fusionsreaktor Ende August 2011 seinen Experimentierbetrieb wieder auf.
Ein überfüllter JET Kontrollraum mit erwartungsvoller Stimmung wurde Zeuge, wie sich ein spektakuläres Plasma mit einer Stärke von einem Mega-Ampere entwickelte und für 15 Sekunden andauerte. Das war bemerkenswert, weil das erste Plasma nach einer Wartungspause normalerweise nur als kurzer Lichtblitz von weniger als einer Sekunde Dauer zu sehen ist.
Die nächsten geplanten Experimente werden unser Verständnis erweitern, wie der nächste internationale Fusionsreaktor ITER sich verhalten wird. Deswegen wurden jetzt auch die gleichen Kacheln verbaut wie die für ITER vorgesehenen. Der eindrucksvolle Start bei JET hat natürlich den Optimismus rund um das Projekt stark gefördert, und man sieht es als Wegbereiter in Richtung einer kommerziell verfügbaren Energiegewinnung durch Kernfusion.
JET ist Europas Fusionsreaktor und steht in Culham, UK. Die Forschungsaktivitäten bei JET werden durch das European Fusion Development Agreemen (EFDA) durchgeführt. Mehr Infos auf: www.jet.efda.org
EMBL: Wie man rote Blutkörperchen grün färbt
Wissenschaftler am Europäischen Molekularbiologie-Labor (EMBL) in Monterotondo (Italien) haben eine neue Markierungstechnik entwickelt. Diese Technik erlaubt es Forschern zum ersten Mal, jene Stammzellen im Knochenmark zu identifizieren, aus denen rote Blutkörperchen entstehen.
Das Knochenmark von Säugetieren wie zum Beispiel von Menschen oder Mäusen enthält mehrere verschiedene Gruppen von Stammzellen, die in die verschiedenen Typen von Blutzellen ausdifferenzieren.
Mit der neuen Technik gelingt es, nur jene Zellen im Knochenmark von Mäusen grün zu färben, die dafür bestimmt sind, rote Blutkörperchen zu werden. Ermöglicht wird das durch einen fluoreszierenden Marker, der sich an ein RNA Produkt bindet, das nur von dieser Zell-Linie exprimiert wird. Andere Labors haben bereits begonnen, diese Technik zu verwenden. Sie wird Forschern dabei helfen, die den roten Blutkörperchen zugeordneten Stammzellen zu identifizieren und den molekularen Mechanismus dahinter aufzuklären.
Um mehr zu erfahren, lesen Sie bitte die Publikation:
Rasmussen KD, O’Carroll D (2011) The miR-144/451eGFP allele, a novel tool for resolving the erythroid potential of hematopoietic precursors. Blood 118(11): 2988-2992. doi: 10.1182/blood-2011-04-350728
EMBL ist Europas führendes Labor für Grundlagenforschung in Molekularbiologie, mit dem Stammsitz in Heidelberg, Deutschland. Für mehr Infos siehe: www.embl.org
ESA: Herschel zeichnet ein neues Bild der Evolution von Galaxien
Die Rate der Sternentstehung hatte ihren Höhepunkt im frühen Universum, vor ungefähr 10 Milliarden Jahren. Damals erzeugten manche Galaxien neue Sterne zehn oder sogar hundertmal öfter als das in unserer Galaxis heute passiert. So hohe Geburtsraten sind in unserer heutigen Umgebung sehr selten, und wenn, dann scheinen sie immer von kollidierenden Galaxien getriggert zu sein. Daher waren Astronomen der Meinung, dass dies während der gesamten Geschichte des Universums so gewesen sein musste.
Mit Hilfe des Herschel Infrarot Weltraumteleskops der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA) haben jedoch Astronomen kürzlich Galaxien ins Visier genommen, die sehr weit weg sind. Dadurch haben sie sie gesehen, wie sie vor einigen Milliarden Jahren ausgesehen haben. Dieser Blick in die Vergangenheit hat gezeigt, dass Galaxien auch ohne Kollisionen kräftige Sternentstehungsraten haben. Diese Entdeckung kippte die bisherige Annahme und zeichnete ein klareres Bild, wie Sterne entstehen – und Galaxien sich entwickeln.
Um mehr zu erfahren, lesen Sie bitte die Publikation:
Elbaz D et al. (2011) GOODS–Herschel: an infrared main sequence for star-forming galaxies. Astronomy & Astrophysics 533: A119. doi: 10.1051/0004-6361/201117239
Die ESA mit ihrem Stammsitz in Paris, Frankreich, ist Europas Tor zum Weltraum. Für mehr Infos siehe: www.esa.int
ESO: ALMA öffnet seine Augen
Das komplexeste erdbasierte Astronomie-Observatorium der Welt, das Atacama Large Millimeter / submillimeter Array (ALMA), hat offiziell für Astronomen geöffnet. ALMA ist eine Partnerschaft zwischen Europa, Nordamerika und Ostasien in Zusammenarbeit der Republik Chile. Das Europäische Südobservatorium (ESO) ist der europäische Partner im Projekt. Das erste, von einem noch im Bau befindlichen Teleskop aufgenommen, zeigt ein Bild des Universums das mit sichtbarem Licht oder Infrarot nicht aufgenommen werden kann. Tausende Wissenschafler aus der ganzen Welt haben sich beworben, um unter den Ersten zu sein, die mit diesem neuen astronomischen Werkzeug einige der dunkelsten, kältesten, am weitesten entfernten und gut versteckten Geheimnisse des Weltalls zu erforschen.
Mehr Informationen in der Pressemitteilung: www.eso.org/public/news/eso1137
Um mehr über ALMA zu erfahren, siehe:
Mignone C, Pierce-Price, D (2010) The ALMA Observatory: the sky is only one step away. Science in School 15: 44-49. www.scienceinschool.org/2010/issue15/alma
ESO ist das weltweit produktivste astro-nomische Observatorium. Die Zentrale befindet sich in Garching, in der Nähe von München, und seine Teleskope stehen in Chile. Mehr Infos auf: www.eso.org
ESRF: Röntgenstrahlen
Forscher am ESRF haben eine Technik entwickelt, die chemische Analysen seltener Materialien wie Meteoriten und Fossilien revolutionieren könnte. Normalerweise sind Röntgenstrahlen sensitiv auf Form und Beschaffenheit im Inneren einer Probe, aber sie können nichts über den chemischen Zustand aussagen. Die neue Technik erzeugt Röntgenstrahlbilder der Längenverteilung der chemischen Bindungen ausgewählter Elemente. Diese Elemente sind tief im undurchsichtigen Material verborgen. Diese zu untersuchen, wurde bislang als unmöglich angesehen, ohne die Probe zu zerstören. „Ich würde das gerne an Proben von Mond- oder Marsgestein ausprobieren. Wir können nicht nur sehen, welche Elemente an jeder beliebigen Stelle vorhanden sind, sondern auch – im Falle von Sauerstoff – ob er Teil eines Wassermoleküls ist oder nicht,“ sagt Simo Huotari aus Helsinki, Finnland, der diese Technik entwickelt hat.
Um mehr zu erfahren, lesen Sie das „new item“ (‘New synchrotron technique could see hidden building blocks of life’) auf der ESRF website (www.esrf.eu) oder über den direkten Link: http://tinyurl.com/69o9g7g
Lesen Sie auch die Publikation:
Huotari S et al. (2011) Direct tomography with chemical-bond contrast. Nature Materials 10: 489–493. doi: 10.1038/nmat3031
Das ESRF in Grenoble, Frankreich, betreibt die stärkste Synchrotronstrahlungsquelle in Europa. Mehr Infos darüber auf: www.esrf.eu
Europäischer XFEL: das Licht am Ende des Tunnels
Der Europäische XFEL ist ein Forschungslabor in der Nähe von Hamburg, das derzeit in Bau ist. Er wird extrem starke Blitze von Röntgenstrahlen erzeugen, die von Wissenschaftlern der ganzen Welt benutzt werden. Um mehr darüber zu erfahren, siehe: www.xfel.eu
ILL: Langsames Cholesterin
Wissenschaftler am Institut Laue-Langevin (ILL) und am NIST Center for Neutron Research in Gaithersburg, USA, haben herausgefunden, dass Cholesterin einige Stunden braucht, um von einer Zelle zur anderen zu gelangen. Dies ist weitaus langsamer, als man früher annahm.
Cholesterin bildet einen Teil der äußeren Zellmembran. Es spielt eine wichtige Rolle bei der Verteilung chemischer Signale und von Nervenimpulsen im Körper: es ist die Basis wichtiger Hormone und es bildet die Isolationsschicht der Nervenfasern. Die Aufrechterhaltung des richtigen Cholesterinpegels durch dessen Verteilung zwischen und innerhalb der Zelle ist daher sehr wichtig. Störungen im Cholesterintransport wurden mit Krankheiten wie Alzheimer, Arteriosklerose und verschiedenen Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems in Verbindung gebracht. Die Erforschung der exakten Cholesterin Transportrate könnte daher helfen, neue, verbesserte Behandlungen für diese Krankheiten zu entwickeln.
Mehr Informationen in dieser Publikation:
Garg A et al. (2011) Noninvasive neutron scattering measurements reveal slower cholesterol transport in model lipid membranes. Biophysical Journal 101(2): 370-377. doi: 10.1016/j.bpj.2011.06.014
Das ILL ist ein führendes internationales Forschungszentrum im Bereich Neutronenforschung und -technologie in Grenoble, Frankreich. Mehr darüber erfahren Sie auf: www.ill.eu