Interview mit Steve Jones: die Bedrohung durch den Kreationismus Understand article

Übersetzt von Hildegard Kienzle-Pfeilsticker. Steve Jones spricht mit Vienna Leigh über das erschreckende Aufflammen des Kreationismus in Europa, wie Lehrer helfen können und warum er niemals mit einem Kreationisten diskutieren wird.

Steve Jones
Mit freundlicher Genehmigung
von EMBL Photolab

Ein Besorgnis erregender Trend verbreitet sich in Europa. Wir sind schon gewöhnt an die mit großem Ernst geführte Diskussion um den Evolutionsunterricht in den USA, vor allem im „Bibelgürtel“. In einem Nature-Artikel vom November 2006 jedoch drücken Almut Graebsch und Quirin Schiermeier ihre Sorge darüber aus, dass das Unterrichten alternativer Theorien nicht nur ein Problem jenseits des Atlantiks ist (Graebsch & Schiermeier, 2006).

Sie sind nicht die ersten, die es bemerken. 2006 startete die Royal Society, die nationale Wissenschaftsakademie des Vereinigten Königreichs, eine Initiative gegen den Kreationismus, weil sie befürchtete, dass die Idee in Schulen und Universitäten im ganzen Land festen Fuß fassen könnte. Sie konnten Steve Jones, Genetikprofessor am University College London (UCL) für die öffentliche Vorlesung “Warum die Evolution Recht hat und der Kreationismus falsch ist” gewinnen.

Steve, Autor vieler populärer Genetikbücher, zu denen In the Blood (Im Blut) und The Language of the Genes (Die Sprache der Gene) gehören, hält Vorträge über Evolution in Schulen und Universitäten, bei Konferenzen und in Forschngsinstituten im ganzen Land. Er macht sich Sorgen – und ist absolut verblüfft– über den wachsenden Einfluss kreationistischer Gruppen in Europa.

“Es ist rätselhaft, während der ganzen letzten 30 bis 40 Jahre, die ich vor einem Publikum über Evolution gesprochen habe, hat mich keiner nach Kreationismus gefragt. Aber in den letzten paar Jahren wurden solche Fragen üblich,“ sagt er.

Steve schätzt, dass er in seiner Laufbahn vor mehr als 100 000 Schülern gesprochen hat. Zudem ist er Repräsentant des UCL am London Science Learning Centre, Trainings für Wissenschaftslehrer anbietetw1. Er hat sehr viele Features für die BBC im Radio gemacht, eine sechsteilige Fernsehserie präsentiert und er trat in verschiedenen anderen Fernsehprogrammen auf. Auch in der Presse hat er über wissenschaftliche Themen geschrieben, wie in der regelmäßig erscheinenden Kolumne in The Daily Telegraph mit dem Titel „View from the Lab” (Aus Laborsicht).

Ernst Haeckel, Stammbaum der
Menschheit, aus The Evolution
of Man
(Die Evolution der
Menschheit), 1910, 5. Auflage

Public-Domain-Bild

“Es ist alarmierend. Der Artikel von Graebsch und Schiermeier zitiert Beispiele von Schulen in Deutschland, in denen Kreationismus unterrichtet wird und, besonders bedenklich, das Beispiel Italien, wo die Erziehngsministerin Letizia Moratti 2004 für Furore gesorgt hat, als sie die Evolutionstheorie aus dem Curriculum genommen hat. In England sandte die Kreationismus-freundliche Gruppe Truth in Science (Die wahre Wissenschaft) Ende 2006 Informationspäckchen an jede weiterführende Schule im Land. Maciej Giertych, polnisches Mitglied des Europaparlaments, organisierte einen Workshop für Parlamentarier mit dem Titel „Unterricht in Evolutionstheorie in Europa: Wird Ihr Kind im Klassenzimmer indoktriniert?“. Im Oktober 2007 sagte der abgeordnete, frühere polnische Erziehungsminister Miroslaw Orzechowski der Zeitung Gazeta Wyborcza: „Die Evolutionstheorie ist eine Lüge. Sie ist ein Irrtum, den wir als allgemeine Tatsache akzeptiert haben.“

In die Diskussion um Schöpfung oder Evolution gehen die Meinungen über den Ursprung des Lebens auseinander. Vom Glauben Überzeugte vertrauen darauf, dass das Leben „in nicht allzu ferner Vergangenheit auf eine Art magische, nicht-wissenschaftliche Weise entstanden ist“, formuliert Steve. Im Gegensatz dazu unterstützt der wissenschaftliche Konsens die Evolutionsbiologie. Obwohl viele Religionen ihren Frieden mit der Evolution geschlossen haben, glauben viele Kreationisten, vor allem in eher konservativen Regionen der USA, dass Evolution nicht mit den Überlieferungen ihrer jeweiligen Religion in Einklang zu bringen ist. „Kreationismus ist falsch, weil alle seine Behauptungen jedweder wissenschaftlicher Erkenntnisse zuwiderlaufen“, erklärt Steve. „Aber die Leute erwarten– und befürchten – zuviel. Sie erwarten Antworten auf Fragen, die keinen wissenschaftlichen Zugang erlauben, wie ‚Gibt es einen Gott?’, oder ‚Was bedeutet es, Mensch zu sein?’“, sagt Steve.

Die Debatte ist nicht neu. Evolutionäre Vorstellungen wie gemeinsame Abstammung und die Entwicklung der Arten existierten schon mindestens seit dem 6. Jahrhundert vor Christus. Aber mit dem Anwachsen des biologischen Wissens im 18. Jahrhundert und der Weiterentwicklung dieser Ideen wurde der Gedanke einer göttlichen Schöpfung herausgefordert. Durch die Veröffentlichung 1859 des Buchs On the Origin of Species (Die Entstehung der Arten) des englischen Naturalisten Charles Darwin etablierte sich die Vorstellung, dass die Evolution von gemeinsamen Vorfahren ausgeht, als vorherrschende wissenschaftliche Erklärung für die Vielfalt in der Natur.

“Den Leuten im Viktorianischen Zeitalter war die Evolution zuerst ein Horror, weil sie dachten, dass sie uns als Menschen abwertet. Aber in Wirklichkeit wertete sie uns auf – wir sind die einzigen Tiere die alle diese Dinge wie Kunst, Geschichte und Sprache entwickelt haben. Zwar ähneln wir tatsächlich Schimpansen, doch wir unterscheiden uns völlig in allen wichtigen Eigenschaften“, sagt Steve.

“Um 1870, etwas über Zehn Jahre, nachdem Darwins Buch publiziert worden war, hatte sich der Aufruhr gelegt. Die meisten Kirchenmitglieder waren gebildete Leute und erkannten, dass sie die Evolution annehmen konnten und sie nichts mit ihrem religiösen Glauben zu tun hatte. Die beiden Dinge sind einfach nicht zur Deckung zu bringen. Wissenschaft ist zu schlagkräftig, um sich mit lächerlichen, nicht nachprüfbaren Theorien herumzuschlagen“, meint Steve.

Charles Darwin (1809-1882) in
späteren Jahren. Foto von J.
Cameron, 1869

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Wikimedia Commons

Aber warum wird von irgendwoher Druck ausgeübt, vielleicht auch nur aus politisch korrektem Verhalten heraus – 150 Jahre nachdem die Evolution als die beste Erklärung für die Entwicklung auf der Erde anerkannt wurde und ein klares Verständnis für die Prozesse geschaffen hat, die zur Vielfalt der Organismen auf der Erde geführt haben, und die ein wesentlicher Bestandteil des Unterrichts in Biologie und wissenschaftlichen Kursen sind – Druck, der sogar Meinungsführer zum Umschwenken bringt?

“In den späten 60er Jahren kam der Kreationismus wieder in Mode und trat einen langsamen Siegeszug an. Hauptsächlich resultierte die Entwicklung aus Angst vor der modernen Biologie, manchmal aber auch aus den falschen Behauptungen von Wissenschaftlern. Ich verstehe aber nicht, warum er ausgerechnet jetzt so um sich greift“, sagt Steve.

Natürlich sollte man immer beide Seiten einer Medaille zeigen, aber es kann Schaden anrichten, wenn man eine Religions-basierte Theorie für eine Alternative zu wissenschaftlichen Fakten hält.

“Ich habe nichts gegen den Kreationismus als solchen [im Schulunterricht], aber er gehört in den Religionsunterricht. Dumme Behauptungen sollte man nicht im Biologieunterricht aufstellen“, sagt Steve.

Steve nennt Kreationismus “Anti-Wissenschaft”. „Ich werde niemals mit einem Kreationisten diskutieren. Sie glauben, dass zwei plus zwei fünf ist, oder im Notfall, als Kompromiss, dass zwei plus zwei vier Komma eins ist. Da gibt es nichts zu diskutieren. Solange sie nicht die physischen Tatsachen des Lebens annehmen, haben wir keine Gesprächsgrundlage. Mir ist egal, was sie glauben, es sei denn sie hätten irgendwelche Beweise, die sie aber nicht haben“, sagt Steve.

“Es ist mir ein Rätsel, wie ein Wissenschaftler an Kreationismus glauben kann. Es [die Einstellung] ist in Europa anders als in den USA. Sie verfolgen aber eine elaboriertere Argumentationslinie: ‚akademischen Kreationismus’. Sie argumentieren mit dem ‚Intelligent Design’-Begriff – damit, dass Organismen von irgendjemandem oder irgendetwas erschaffen werden mussten, weil sie so kompley sind. Darwin jedoch zeigte, dass die Evolution eine Fabrik ist, die die unmöglichsten Dinge hervorbringt“, so Steve weiter.

Wie also können Wissenschaftler und Lehrer Abhilfe schaffen? „Lehrer haben das Gefühl, dass Evolution nicht nur ein Teil der Biologie ist – sie meinen, dass sie etwas Besonderes ist, etwas, mit dem sie vorsichtig umgehen müssen. Ich würde fast sagen, sie sollten Evolution langweilig machen. Sie sollten sie schlicht als Teil der Biologie präsentieren, als eine Tatsache, nichts, über das man diskutieren kann oder kontrovers denken und das ‚sexy’ ist.“

“Ein weiteres Problem ist der schlechte Unterricht in Evolution, weitgehend weil die Lehrer selbst schlecht unterrichtet wurden und sie ist auch in Lehrbüchern nicht gut dargestellt. Biologie wird gut unterrichtet, nur die Evolution bleibt verschwommen. Es werden die alten, traditionellen Beispiele verwendet – der Birkenspanner, Antibiotikaresistenz und Darwin-Finken – aber es gibt keine aktuellen. Lehrer erfahren nichts über moderne Evolutionsbiologie“ fügt Steve an.

“Darwin glaubte nicht, dass er Evolution jemals miterleben würde – er verstand sie als historisch, als ein Modell, welches viele scheinbar zusammenhanglose Fakten in einem nahtlos zusammengefügten Ganzen vereinte. Aber in Wirklichkeit spielt sie sich vor unseren Augen ab! Die kurze Geschichte von HIV ist ein perfektes Bespiel für die ganze Maschinerie Darwins, die vor unseren Augen abläuft. Er wäre entzückt gewesen, das Funktionieren der Evolution so absolut klar zu sehen.”

 

Die Geschichte des Kreationismus

Von Dean Madden vom National Centre for Biotechnology Education, University of Reading (Nationales Zentrum für Biotechnologieunterricht, Universität Reading), UK.

Darwins Karriere wurde während seines Studiums an der Universität Cambridge, UK, stark von mehreren Wissenschaftlern beeinflusst, vor allem von dem Geologen Adam Sedgwick und von John Henslow, dem Botaniker. Letzterer schlug vor, dass Darwin Kapitän FitzRoy auf der HMS Beagle begleiten sollte. Wie damals für Universitätsdozenten erforderlich, wurden die beiden Wissenschaftler zu Kirchendienern (church ministers) geweiht. Sie waren ja tiefgläubige Christen. Aber sogar sie zweifelten an der sprichwörtlichen Wahrheit der Bibel, 30 Jahre bevor Origin of Species publiziert wurde. In England wurde Darwins Evolutionstheorie schnell allgemein angenommen und die Anglikanische Kirche hatte sich bald damit abgefunden. Anderswo in Europa und Amerika war der Widerspruch zur Religion schwächer: typischerweise ging die Debatte nicht darum, ob natürliche Vorgänge oder der Christengott das Leben erschaffen haben, sondern ob die Schöpfung das Ergebnis einer übernatürlichen Kraft war, die ihren Einfluss über die Natur ausübte, oder ob die Schöpfung das Resultat natürlicher Prozesse war (‚was passierte?’ nicht ‚wer war es?’)

Die Institutionen der Katholischen Kirche waren im Allgemeinen immer konservativ, aber wegen der überwältigenden Evidenz veröffentlichte Papst Johannes Paul II. 1996 einen Brief, in dem er sagte, dass die Arbeit der Wissenschaftler weltweit „…dazu Anlass gibt, in der Evolutionstheorie mehr als nur eine Hypothese zu sehen“ (im Gegensatz zu vielen modernen Kreationisten verstand Johannes Paul den Unterschied zwischen einer reinen Hypothese und einer wissenschaftlichen Theorie). Heute nimmt der Durchschnittschrist die Bibel üblicherweise nicht wörtlich und Führungspersönlichkeiten sowohl der Katholischen als auch der Anglikanischen Kirche haben neulich noch einmal ihre Opposition zum Unterricht in Kreationismus während naturwissenschaftlichem Unterricht betont (Thavis, 2006; Bates, 2006).

Das Wissenschaftsjournal Science (Miller, 2006) veröffentlichte im August 2006 eine Akzeptanzanalyse der Evolution. 32 europäische Länder plus die USA und Japan wurden im Report verglichen. Die Studie zeigte, dass Isländer, Dänen, Schweden, Franzosen, Japaner und Briten am ehesten akzeptierten, dass der Mensch „…sich aus einer früheren Tierspezies“ entwickelt hat. Menschen mit starkem Glauben an einen eigenen Gott, die viel beteten, akzeptierten die Vorstellung einer Evolution viel weniger. In den USA und in der Türkei, wo Strenggläubigkeit weit verbreitet ist und das Lehren von Evolution zum Politikum wurde, war die Wahrscheinlichkeit am geringsten, dass die Leute die Evolution akzeptieren würden.

Adam und Eva von Lucas Cranach
dem Älteren (1472-1553)

Public-Domain-Bild; Bildquelle:
Wikimedia Commons

In der westlichen Welt, ganz besonders in Europa, wurde die säkulare Moderne als Folge von Urbanisierung, größerem Wohlstand und besserer Erziehung verstanden. Soziologen haben spekuliert, dass Gläubige sich eher verschanzen, wenn sie sich ihrer unüblichen Identität in einer säkularen Gesellschaft bewusst werden. Ein solcher Rückzug mag auch auf Menschen ohne Glaube zutreffen, die in vorwiegend religiös geprägten Gesellschaften leben. Das mag der Grund für die zunehmend polarisierte Auseinandersetzung über das Lehren von Evolution sein, wie von einigen Beobachtern, darunter Steve Jones, festgestellt.

Das Aufflammen von so viel Widerstand weltweit gegen die Evolutionslehre kann bis zu den Pioniertagen der USA zurückverfolgt werden, als Siedler mit unterschiedlichem religiösem Hintergrund und ohne eine etablierte Kirchenhierarchie, die Notwendigkeit eigener, selbstgestrickter Kirchen erkannten. Zusammen mit einem hochgradig dezentralisierten Erziehungssystem, das weitgehend von Amateuren in 17 000 Schuldistrikten betrieben wurde, führte in mehreren Fällen dazu, dass Schulbehörden versuchten, den Evolutionsunterricht zu verhindern oder die Religionslehre zu fördern. Die Lehrer wurden oft vor Gericht gestellt.

Das berühmteste ist das Scopes ‘Affen-Verfahren’ von 1925, das in Dayton, Tennessee abgehalten wurde. Mitte der 20er Jahre hatten bereits sechs Südstaaten Anti-Evolutionsgesetze erlassen. Das Scopes-Verfahren war ein Werbegag lokaler Geschäftsleute, ausgeheckt um Daytons lahmende Wirtschaft wieder zu beleben: das Verfahren sollte das erste in den USA werden, das live im Radio übertagen wurde. Als der 24 Jahre alte John Scopes von mehreren Geschäftsleuten gefragt wurde, ob er sich dem Verfahren stellen wolle, gab er sein Einverständnis. Jeder wusste, dass Scopes wahrscheinlich wegen Evolutionslehre verurteilt werden würde, obwohl er in Wirklichkeit wohl nur ein Buch benutzt hatte, in dem es auch um Evolution ging, das Fach aber nicht unterrichtet hatte. Die Amerikanische Bürgerrechtsunion (American Civil Liberties Union, ACLU), die Scopes Verteidigung übernommen hatte, plante den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten anzurufen in der Hoffnung auf ein Urteil, welches das Recht eines Individuums über das der Regierung klären würde.

Obwohl Scopes verurteilt wurde, wurde die Entscheidung kurz danach durch eine Formsache umgestoßen, so dass der ACLU die Gelegenheit genommen wurde, den Fall weiter zu verfolgen. Der Bann auf der Evolutionslehre blieb und der Anteil an Evolution unterrichtet in US-amerikanischen Schulen sank während der nächsten 35 Jahre soweit, dass Evolution in den frühen 60er Jahren in fast keinem US-amerikanischem Biologiebuch zu finden war. Erst der Schock über Sputnik 1957 verursachte ein Überdenken des amerikanischen Wissenschaftsunterrichts. Evolution zog wieder in die Lehrbücher ein, besonders in die neuen High School-Texte der Nonprofit-Organisation Biologische Wissenschaften für Lehrplan und Studium (Biological Sciences Curriculum Study). Als das Gesetz von Tennessee und weitere, ähnliche Gesetze schließlich in den 60er Jahren für nicht verfassungskonform erklärt wurden, waren die Evolutionsgegner gezwungen, eine andere Strategie zu verfolgen. Diese Lösung wurde durch die in den USA geltende Trennung von Staat und Kirche nötig. Sie verbietet den Unterricht in Religion unter dem Namen Religionsunterricht in öffentlichen Schulen. Der Schleichweg während der 70er und 80er Jahre war Unterricht in der sogennanten ‚Schöpfungswissenschaft’.

‘Die ‘Schöpfungswissenschaft’ versuchte zu suggerieren, dass wissenschaftliche Evidenz die biblischen Geschehnisse unterstützte und verlangte, dass für Kreationismus und Evolution im Klassenzimmer gleich viel Zeit eingeräumt werden sollte. Viele der weit hergeholten Interpretationen von Evidenz waren ganz offensichtlich Unsinn. Beispielsweise wurde behauptet, dass die Menschheit zunächst der biblischen Flut entkam, indem sie auf Bergspitzen kletterte. Dinosaurier jedoch waren weniger erfolgreich und Trilobiten noch weniger – daher wurden ihre Fossilien in definierten Gesteinsteinsschichten gefunden. Mehrere Gerichtsurteile, vor allem in Arkansas und Louisiana, verwarfen das Argument der Gleichzeitigkeit. Kreationismus wurde vom Obersten Gerichtshof als eine religiöse Vorstellung erachtet, nicht für eine wissenschaftliche, und konnte daher in US-amerikanischen Schulen nicht unterrichtet werden.

Neuerdings wurden der einfache Kreationismus aus Scopes Zeit und die ‚Schöpfungswissenschaft’ des späten 20. Jahrhunderts durch Intelligent Design (ID) ersetzt, eine vom US-amerikanischen Discovery Institute vorangetriebene Strategie, die zum Ziel hat „…materialistische Erklärungen durch das theistische Verständnis zu ersetzen, dass Natur und Mensch durch Gott erschaffen wurden“.

Die ID-Bewegung vermeidet jedoch generell jeden Bezug auf einen Gott und präsentiert seine Ideen als rationale Alternativen zu wissenschaftlichem Verständnis, die daher zu Gleichbehandlung in (US) naturwissenschaftlichem Unterricht berechtigen. Konsequenterweise wurde ‚Unterrichte die Kontroverse’ zum neuen Slogan der Anti-Evolutionisten.

Wahrscheinlich lag es an ihrem Appell an Fairness und an ihrem oberflächlich wissenschaftlichen Ansatz, im Gegensatz zu ähnlichen, früheren Versuchen, dass die ID-Bewegung weit über ihr Ursprungsland USA hinaus zu spüren war. Gut organisierte, oft generös gesponserte und manchmal politisch unterstützte Kampagnen haben die Schulbildung nicht nur in Ländern wie Polen und der Türkei, wo Religion und Politik eng miteinander verwoben sind, sondern auch in eher säkularen Ländern wie Frankreich, Deutschland und Italien beeinflusst. Anfang 2004 beispielweise erlebte Italien, dass die Evolutionstheorie aus dem Lehrplan der Mittelschule entfernt wurde, angeblich weil die Schüler ‚dadurch verwirrt würden’. Fast zwei Jahre später, nachdem eine ‚Darwin Kommission’ berichtet hatte, wurde eine abgeschwächte Fassung der Evolution wieder eingeführt, die jeden Bezug zum Ursprung des Menschen ausließ.

Diese und ähnliche Vorkommnisse wie das Dover School Board Trial in den USA veranlasste das Interacademy Panel on International Issues, ein weltweiter Zusammenschluss von Akademien der Wissenschaften, im Juni 2006 eine Stellungnahme zum Evolutionsunterricht herauszugebenw2 „Theorien über den Ursprung und die Evolution des Lebens“, sagte es, seien „ vermischt (worden) mit wissenschaftlich nicht nachprüfbaren Theorien“. Es merkte an, dass alle Lebensformen auf der Erde sich weiterentwickeln, eine Tatsache, die „… die Paläontologie und die modernen Biowissenschaften und die Biochemie beschreiben und unabhängig voneinander mit wachsender Präzision bestätigen. Die Gemeinsamkeiten des genetischen Codes aller heute lebenden Organismen, inklusive des Menschen, deuten klar auf einen gemeinsamen Ursprung hin.“ Der Europarat hat ebenfalls eine Stellungnahme herausgegeben, in der er sich für den Evolutionsunterricht stark machtw3.

Welches wird die nächste Herausforderung der Kreationisten sein? In Louisiana, USA, haben sich evolutionsfeindliche Gruppen eine subtile neue Taktik angeeignet, die scheinbar zu einer wissenschaftsfreundlichen Haltung ermuntert. Sie haben ein Gesetz vorgeschlagen und verabschiedet, das „akademische Freiheit „ verlangt, „kritisches Denkvermögen, logische Analyse und eine offene und objektive Diskussion wissenschaftlicher Theorien, welche die Evolution, den Ursprung des Lebens, globale Erwärmung und menschliches Klonieren einschließt, aber nicht auf sie beschränkt ist“. Kritiker befürchten, dass dieses Gesetz und weitere dem Kreationismus die Hintertür öffnet.


References

Web References

Resources

  • Die Abteilung für Kinder, Schulen und Familien (früher die Abteilung für Erziehung und Fertigkeiten, Department for Education and Skills) in Großbritannien gibt Orientierung in Bezug auf Kreationismus und Intelligent Design im naturwissenschaftlichen Unterricht, siehe: www.teachernet.gov.uk/docbank/index.cfm?id=11890
  • Das Big Picture ist eine kostenlose Publikation des Wellcome Trust für Schüler ab 16 Jahren und ihre Lehrer. Das Big Picture zur Evolution kann als PDF-Datei heruntergeladen oder am Bildschirm gelesen werden. Die Publikation wird durch zusätzliche Quellen für Lehrer unterstützt, siehe: www.wellcome.ac.uk/Professional-resources/Education-resources/Big-Picture/Evolution/index.htm
  • Die Webseite ‘Die Evolution verstehen’ (Understanding Evolution) der Universität von Kalifornien. Berkeley (USA) stellt autoritative, Informationen auf dem neuesten Stand über evolutionäre Mechanismen, Theorie, Evidenz und moderne Forschung zur Verfügung. Die Seite enthält sehr viele Quellen zum Unterricht in Evolution (für ein US-amerikanisches Publikum); siehe: http://evolution.berkeley.edu
  • Für einen frei zugänglichen Artikel über den Stand der Evolution und des Kreationismus in US-amerikanischen Schulen siehe:
  • Berkman MB, Pacheco JS, Plutzer E (2008) Evolution and creationism in America’s classrooms: a national portrait. PLoS Biology 6(5): e124. doi:10.1371/journal.pbio.0060124
  • Das Eurobarometer von 2005 fragte nach der Haltung der Europäer zu Wissenschaft und Technik. Siehe insbesondere Sektion 3.3, ‚Wissenschaft, Glaube und Glück’:
  • European Commission (2005) Special Eurobarometer 224: Europeans, science and technology. http://ec.europa.eu/public_opinion/archives/ebs/ebs_224_report_en.pdf
  • Ein populärer, gut lesbarer und aktueller Bericht über Evolution ist:
  • Jones S (2001) Almost like a whale: The Origin of Species updated. London, UK: Black Swan. ISBN: 055299958X
  • Einige weitere, neue, populäre Bücher sind:Carroll SB (2008) The making of the fittest: DNA and the ultimate forensic record of evolution. London, UK: Quercus. ISBN: 9781847244765Shubin N (2008) Your inner fish. A journey into the 3.5 billion-year history of the human body. London, UK: Allen Lane. ISBN: 9780713999358

Review

Eine der bedeutendsten (und für manche auch umstrittensten) wissenschaftlichen Entdeckungen wurde 150 Jahre vor dem Jahr 2009 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der grundlegende Text, On the Origin of Species by Means of Natural Selection (Über die Entstehung der Arten durch natürliche Selektion), wurde 1859 publiziert, und sein Autor, Charles Darwin, würde nächstes Jahr seinen 200. Geburtstag feiern. Rund um den Globus werden Pläne für Feierlichkeiten geschmiedet, um Darwin 200 hervorzuheben. Die Feiern begannen bereits am 1. Juli 2008, der den 150sten Geburtstag Darwins markiert und an dem Wallace die Theorie angekündigt hat.

Steve Jones ist einer der bekanntesten heutigen Genetiker, zum einen wegen seiner akademischen Leistungen, zum anderen als populärer Wissenschaftsvermittler. In diesem Artikel bestätigt er seine Anerkennung der Evolutionstheorie von Darwin und unterbreitet einige seiner Argumente gegen den Kreationismus.

Dieser nachdenklich machende Artikel wird manche Leser zu Diskussionen anregen; manche wird er beflügeln, das wissenschaftliche Modell erneut zu schätzen im Gegensatz zur Anti-Wissenschaft.

Der Beitrag kann genutzt werden in Biologie (im Evolutionsunterricht), Theologie oder religiösen Fächern (mit Berücksichtigung des Kreationismus) oder in Englisch (als Grundlage für eine Diskussion oder eine Veständnisübung).

Marie Walsh, Republik Irland

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