Halluzinogene Pflanzen als Hexenmedizin Understand article
Übersetzt von Angelika Börsch-Haubold. Flogen einst Hexen auf Besenstielen durch die Nacht? Oder halluzinierten sie nach dem Trinken eines Pflanzensuds oder dem Einreiben mit einer Hexensalbe? Pharmakologin Angelika Börsch-Haubold von der Fachhochschule Weihenstephan, Freising, Deutschland,…
„Waren diese Dinge wirklich hier, wovon wir reden?
Oder haben wir von der verrückten Wurzel gegessen, die die Vernunft gefangen nimmt?„
Shakespeare, Macbeth I.iii
nach Christoph Martin Wieland
… fragt sich Banquo, der zu Beginn von Shakespeares Theaterstück zusammen mit Macbeth auf drei Hexen trifft, die ihnen ihre Zukunft vorhersagen. Die Erscheinungen waren entweder echt – oder eine Halluzination. Diese beiden Möglichkeiten im Jahr 1606, dem Höhepunkt der Hexenverfolgung in Europa, anzugeben, bedeutet nicht nur eine vernünftige Interpretation der Hexenkunst, nämlich phantastische Träumerei, sondern zeigt auch auf mögliche Ursachen dieser Verrücktheit. Es gibt giftige Pflanzen, die nach Hautkontakt oder Einnahme unsere Sinne verwirren und uns unwirkliche Situationen erfahren lassen. Wie die traurige Geschichte der Hexenverbrennungen lehrt, fehlte den meisten Europäern eine derartige Einsicht.
Pflanzen der Familie Solanaceae
Shakespeares „verrückte Wurzel“ könnte gut die Alraune gewesen sein (Mandragora officinarum), die bekannteste Zauberpflanze des Mittelmeerraums, die nördlich der Alpen teuer auf den Märkten gehandelt wurde. Da die Wurzel dem menschlichen Körper ähnlich sieht, glaubte man, Alraune enthielte einen Geist, der Glück bringe und gegen Böses schütze, wenn man die Wurzel besäße und am Körper trage. Es war allerdings gefährlich die Pflanze auszugraben, da sie einen tödlichen Schrei ausstoßen würde, sobald man sie aus der Erde zog. Deshalb war es gang und gebe, einen Hund an die halbwegs frei gegrabene Wurzel zu binden, damit dieser die Pflanze herausziehe. Dieses Ritual wurde in mittelalterlichen Büchern häufig bildlich dargestellt (Abb. 1). Jahrhunderte später ließ Goethe seinen Mephistopheles über diesen Aberglauben witzeln: „Da stehen sie umher und staunen, vertrauen nicht dem hohen Fund; der eine faselt von Alraunen, der andre von dem Schwarzen Hund.“ (Goethe, Faust II, Akt I).
Alraune und andere Pflanzen aus der Familie der Nachtschattengewächse (Solanaceae) enthalten Alkaloide, die Nervenimpulse blockieren, was zu Halluzinationen führen kann. Die Wirkungsmechanismen wurden Ende des 20. Jahrhunderts auf zellulärer und molekularer Ebene aufgeklärt. Allerdings waren die pharmakologischen Effekte schon den griechisch-römischen Ärzten Dioskurides (1. Jh. n. Chr.) und Galen (circa 129-199) bekannt und wurden ab dem 16. Jh. in den Landessprachen von Autoren der Arzneipflanzenbücher beschrieben. Die Pflanzen Tollkirsche (Atropa belladonna) und Bilsenkraut (Hyoscyamus niger; Abb. 2) sind in Mittel- und Nordeuropa beheimatet und standen deshalb für den medizinischen Gebrauch zur Verfügung – oder für den Missbrauch als Gift.
Der Arzt Leonhart Fuchs rät in seinem New Kreüterbuch (gedruckt 1543), wie man die Pflanzenteile als Schlaf- oder Schmerzmittel anwenden soll. Zusätzlich warnt er vor ihren narkotisierenden und toxischen Wirkungen (Box 1). Er platziert außerdem den Stechapfel (Datura stramonium; Abb. 2), der kürzlich von Reisenden aus Indien oder Mexiko nach Europa gebracht worden war, botanisch korrekt zu den Nachtschattengewächsen, gibt aber zu, dass er über dessen medizinische Anwendung nicht Bescheid weiß.
Hexensalben
Wenn es jemals Frauen gegeben hat, die mit giftigen Pflanzen experimentierten, und wenn diese jemals etwas anderes gemacht haben, als ihr Wissen zu nutzen um kranke Leute zu heilen, die es sich nicht leisten konnten zu einem Arzt zu gehen (oder dies in weiser Voraussicht vermieden), könnten sie Schwarzen Nachtschatten, Tollkirsche oder Bilsenkraut als wirkungsvolle Bestandteile ihrer Arzneimittel verwendet haben. Leider gibt es keine direkten Überlieferungen der Hexengebräu-Rezepturen. In der zeitgenössischen Literatur zur Verdammung von Zauberritualen werden so genannte „Hexensalben“ erwähnt. Mit diesen wurde angeblich ein Besenstil oder ein Stuhl bestrichen und dann flogen die Hexen durch die Lüfte zum Tanz beim Hexensabbat (Box 2, Abb. 3). Eine derartige Salbe erhielten die Angeklagten angeblich direkt vom Teufel oder von einer älteren, bereits in Hexenrituale eingeweihten Frau.
Die Rezepturen, die bis heute überlebt haben, wurden von Ärzten festgehalten. Zum Beispiel schreibt Johannes Hartlieb für seinen Fürsten Johann von Brandenburg-Kulmbach 1456 ein Buch über die sieben verbotenen Künste. Darin nennt er sechs Pflanzen für die Zubereitung der unguentum pharelis (Box 2). Die Pflanzen sollen magische Kräfte besitzen, aber bei genauerem Hinsehen entpuppen sie sich als eher harmlos. Hartlieb hatte, wie zu seiner Zeit üblich, Theologie und Medizin studiert und mit seinem Buch will er beweisen, dass alle Hexenkünste und Zaubereien Lügen sind. Möglicherweise ließ er deshalb jegliche narkotisierenden Zutaten absichtlich weg.
Andere Ärzte dagegen, die meisten allerdings Jahrhunderte später, nennen die Nachtschattengewächse als Zutaten für die Hexenmedizin neben dem sehr giftigen Eisenhut (Aconitum napellus), dem Schierling (Conium maculatum) und dem Schlafmohn (Papaver somniferum). Manche scheinen alles Giftige zusammengerührt zu haben und Ethnologen, die im 19. Jh. Hexensalben nachbrauten und in Selbstversuchen ausprobierten, berichten über beunruhigende Halluzinationen mit all den Nebenwirkungen auf das Nervensystem, die ein zeitgenössischer Pharmakologe erwarten würde.
Hexen lasen wahrscheinlich nicht die medizinische Literatur ihrer Zeit, aber wir können mit Sicherheit annehmen, dass sie die halluzinogenen Pflanzen in ihrer Umgebung kannten. Das Bilsenkraut wurde schon von Germanischen Stämmen benutzt, um die berauschende Wirkung des Biers zu verstärken. Es wurde als Bestandteil des Biers in Eichstätt 1507 durch eine Polizeiordnung verboten und das bayerische Reinheitsgebot von 1516 untersagte jeglichen Zusatz auf Landesebene. Die Tollkirsche war ebenfalls gut bekannt. Der Name „belladonna“ erinnert an die Sitte der Italienerinnen zu Renaissance-Zeiten mit Augentropfen die Pupillen zu vergrößern, was sie sexuell attraktiver machen sollte. Wer die Tropfen einnahm, könnte dank der Anregung des Zentralnervensystems einen euphorischen Rauschzustand erlebt haben.
Pharmakologie der Nachtschattengewächse
Heute kennt man die Wirkungsweise der Tollkirsche, des Bilsenkrauts und des Stechapfels auf molekularer Ebene. Sie alle enthalten die Alkaloide Atropin und Scopolamin, zwei nahe verwandte Substanzen, welche die Nervenbahnen des Parasympathikus beeinträchtigen. Unter Einfluss des Parasympathikus verlangsamt sich der Herzschlag, die glatte Muskulatur (die unwillkürliche Muskulatur der inneren Organe) kontrahiert, Verdauungssäfte fließen und Drüsen setzen wässrige Sekrete frei (Speichel, Tränen und Bronchialschleim; Tabelle 1). Der Neurotransmitter Acetylcholin koppelt diese Nervensignale mit den Effektorzellen über muscarinische Rezeptoren. Diese wiederum veranlassen Veränderungen in den Zielzellen, wie z.B. eine Erhöhung des intrazellulären Ca2+-Spiegels, die für die physiologische Antwort des Organs notwendig sind, in diesem Fall Muskelkontraktion und Sekretion.
Atropin und Scopolamin ähneln chemisch dem Neurotransmitter Acetylcholin. Sie binden ebenfalls an den muscarinischen Rezeptor, können aber die Zelle nicht stimulieren: sie sind Antagonisten und blockieren die Nervenleitung. Da Acetylcholin auch im Gehirn eine wichtige Rolle spielt, hat die Hemmung muscarinischer Rezeptoren zentrale Auswirkungen. In geringen Mengen (0,5 – 1 mg) führt Atropin zu einer schwachen Erregung, während Scopolamin für Schläfrigkeit, Ermüdung, traumlosen Schlaf und Euphorie verantwortlich ist. Die Einnahme höherer Mengen bewirkt Unruhe und Halluzinationen. Vergiftungen mit etwa 10 mg Atropin (bei Kindern weniger) führt zu einer zentralnervös bedingten Schwächung lebensnotwendiger Körperfunktionen, die sich zum Koma, Kreislaufkollaps und Atemstillstand weiterentwickeln kann (Tabelle 1).
Leonhart Fuchs New Kreüterbuch, Basel 1543
Von Alraun
… Die oepffel so man daran reucht und schmeckt/bringen den schlaff. Soelche krafft hat auch ir safft. Doch sol man diser nit zuovil brauchen/dann sie toedten sonst. … Dieweil aber der innerlich gebrauch der Alraun seer gevaerlich ist/so sol man den schlaff mehr zuo wegen bringen/wo soelchs die noturfft erfordert/durch die oepffel und frucht derselbigen/in dem das man dran schmeckt/unn sie nit in den leib nemen.
Von Nachtschatten
… Das ander haben wir Dollkraut geheyssen. Ettlich aber nennen es Sewkraut/und haltens für den zamen Nachtschatten/doch nit on grossen irthumb/dann diß kraut ein toedlich gewechß ist/und mag nit on schaden/wie der zam Nachtschatt/inge nommen werden. Es mag aber wol das dritt gschlecht der Alraun sein. …
Das Dollkraut hat on zweifel die krafft des vierdten Nachtschatten/der da schellig und unsinnig macht/dann es dem menschen ein toedlich kraut ist/welchs die erfarung gibt. Ich weiß auch gewißlich das zwey kinder so die beer/welche seer sueß am geschmack seind/gessen haben/bald darauff gestorben seind/welche doch zuovor gantz frisch und gesund gewesen. ….
Von Bilsenkraut
Bilsenkraut nennen ettlich Sawbonen und Schlaafkraut. … Das Bilsenkraut grün zerstossen allein/oder mit gersten maltz vermischt unn übergelegt/stillen allerley schmertzen. Der safft vonn dem kraut außgetruckt/tüchlin darinn naß gemacht/und über die hitzige/trieffende unnd schmertzliche augen gelegt/lescht die hitz/stillt den fluß und den schmertzen derselbigen. Der safft oder das oel von dem samen inn die ohren gethon/legt unnd stillt die stich darinn/unnd den schmertzen. Doch sollen dise mit grosser sorg gebraucht werden. … Ein Fuoßwasser vonn Bilsen gemacht/bringt den schlaaf. … Die wurtzel von Bilsen in essig gesotten unnd im mund ein zeit lang gehalten/stillt den grossen unnd unleidlichen schmertzen der zaen. In summa/die gruene Bilsenbletter/der samen/und safft/dieweil sie nit allein den menschen/sonder auch das viech doll unn unsinnig machen/sollen nit innerlich/sonder allein eüsserlich die schmertzen zuo stillen/und den schlaaf zuo machen/gebraucht werden/und alßdann auch mit guoter bescheydenheyt. …
Note: Der deutsche original Text ist online verfügbarw1.
Medizinische Anwendung von Atropin und verwandten Verbindungen
Atropin, Scopolamin und synthetische Analoge werden heute noch als Arzneimittel benutzt, und zwar hauptsächlich wegen ihrer parasympatholytischen Wirkung. Um die unerwünschten Nebenwirkungen gering zu halten, werden die Substanzen entweder lokal appliziert (Augentropfen zur Untersuchung der Retina; Inhalation bei Atemwegserkrankungen) oder es werden selektive Rezeptorenblocker entwickelt (Magensäuresekretion hemmende Tabletten zur Behandlung von Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren; Box 3).
Die Aufhebung der Acetylcholin-Wirkung hilft auch bei Morbus Parkinson, einer Erkrankung des Bewegungsapparates. Da inzwischen spezifischere Mittel, die auf Dopamin-Bahnen einwirken, gegeben werden können, benutzt man Atropin-Derivate nur noch, um frühe Symptome zu lindern oder als Zusatztherapie.
Die wichtigste Verwendung findet Atropin heute als Antidot bei Vergiftungen mit dem Alkaloid Muscarin (in bestimmten Pilzen) oder mit Organophosphor-Verbindungen (Insektizide). Diese Substanzen überreizen das parasympathische System. Um toxische Wirkungen aufzuheben wird über 48 Stunden lang Atropin injiziert, wobei der Arzt den Patienten gut beobachten muss. Atropin wird verabreicht, sobald muscarinartige Symptome erscheinen, aber nicht früher, um einer Atropin-Vergiftung vorzubeugen.
Gerichtsprotokoll – Hexensalben
Heinrich Kramer/Institoris, Malleus maleficarum, Strasbourg 1486, Kap. II(3)
Die Art aber des Ausfahrens ist diese: Wie sich nämlich aus dem Vorhergehenden ergeben hat, haben sie [die Hexen] sich eine Salbe aus den gekochten Gliedern von Kindern, besonders solcher, die vor der Taufe von ihnen getötet worden sind, zubereiten und nach der Anleitung des Dämons damit irgend einen Sitz oder ein Stück Holz zu bestreichen, worauf sie sich sofort in die Luft erheben…
Johannes Hartlieb, Das Buch aller verbotenen Künste, München 1456, Kap. 32
Wie das faren in den lüften zugang. Zu sölichem farn nützen auch man und weib, nemlich die unhulden, ain salb, die hayst ‚unguentum pharelis‘. Die machen sy uß siben krewtern und prechen yeglichs krautte an ainem tag, der dann dem selben krautt zugehört. Als am suntag prechen und graben sy Solsequium, am mentag Lunariam, am eretag Verbenam, am mittwochen Mercurialem, am pfintztag Barbam Jovis, am freytag Capillos Veneris. Daruß machen sy dann salben mit mischung ettlichs pluotz von vogel, auch schmaltz von tieren; das ich als nit schreib, das yemant darvon sol geergert werden. Wann sy dann wöllen, so bestreichen sy penck oder stül, rechen oder ofengabeln und faren dahin. Das alles ist recht Nigramancia, und vast groß verboten ist.
Aufgaben für die Klasse:
- Suche in Botanikbüchern, Arzneipflanzenbüchern und dem Internet die von Hartlieb genannten Pflanzen. Was für Eigenschaften besitzen sie? Mit Solsequium („der Sonne folgend“) ist entweder Heliotropium europaeum gemeint oder eine der Zauberpflanzen Calendula officinalis, Cichorium intybus bzw. Taraxacum officinale. Barba Jovis ist Sempervivum tectorum und Capillus Veneris vermutlich der Farn Adiantum capillus-veneris.
- Schlage Pflanzen aus der Familie Solanaceae nach. Sind sie alle giftig? Vergleiche die Eigenschaften der Nachtschattengewächse mit denen der Pflanzen, die Hartlieb in seinem Salbenrezept nennt?
- Was würde jemand empfinden, der sich mit einer Hexensalbe einreibt?
Note: Der deutsche original Text ist online verfügbarw1.
Aufgaben für die Klasse: Wirkungen und Nebenwirkungen von Arzneimitteln, die den muscarinischen Rezeptor hemmen
Für diese Übung brauchen Sie Informationen über Wirkungen und Nebenwirkungen anti-muscarinischer Arzneistoffe. Vielleicht verleiht ein Apotheker das Europäische Arzneibuch oder photokopiert die Gebrauchsinformationen von anti-muscarinischen Arzneimitteln (Beispiele siehe unten). Die Schüler sollen sich die dort beschriebenen Wirkungen und Nebenwirkungen anschauen und mit Tabelle 1 vergleichen: Welche Effekte gehen auf die Blockade der Nervenleitung zurück? Welche Wirkungen sind peripher, welche zentral.
Beispiele von Arzneistoffen und passenden Antworten:
- Augentropfen mit Atropin, Scopolamin, Homatropin oder Tropicamid werden angewendet, um die Pupillen zur Untersuchung der Retina zu weiten. Die Nebenwirkungen am Auge sind Lichtempfindlichkeit und unscharfes Sehen.
- Der spezifische Muscarin M1 Rezeptor Antagonist Pirenzepin inhibiert selektiv die Magensäure-Sekretion und wird zur Behandlung von Magengeschwüren gegeben. Er kann aber Mundtrockenheit, unscharfes Sehen, Photophobie und Schwierigkeiten beim Urinieren verursachen.
- Ipratropiumbromid lässt die glatte Muskulatur der Atemwege erschlaffen und erleichtert Asthmasymptome. Das Atropinmolekül ist hier chemisch verändert und enthält einen positiv geladenen Rest. Dadurch kann der Stoff nicht ins Gehirn übertreten und die zentralen Nebenwirkungen fehlen. Die lokale Anwendung als Inhalat (Aerosol) trägt auch dazu bei, unerwünschte Wirkungen auszuschalten.
- Benztropin oder Diphenhydramin werden gegen schwache Symptome oder als Zusatztherapie bei Morbus Parkinson eingesetzt. Nebenwirkungen sind Verstopfung, Zurückhalten des Urins und unscharfes Sehen. Außerdem wurden bei älteren Patienten Sedierung und mentale Verwirrtheit beobachtet.
- Prophylaktisch angewendet ist Scopolamin gut wirksam gegen Reisekrankheit. Dies ist ein zentraler Effekt des Belladonna-Alkaloids. Der Arzneistoff wird in ein mehrschichtiges Pflaster eingebettet und direkt auf die Haut geklebt. Häufige Nebenwirkungen sind Mundtrockenheit, Schläfrigkeit und unscharfes Sehen. Psychotische Ereignisse sind sehr selten.
Schlussbemerkung
Uns fällt es heute nicht leicht, den tiefen und echten Glauben an Hexerei und Zauberkräfte nachzuvollziehen, der Europa jahrhundertelang beherrschte. Noch verrückter erscheint einem, dass der Höhepunkt der Hexenverfolgung im 16. und 17. Jahrhundert lag, also zu einer Zeit, in der die Sonne in die Mitte des Universums gerückt wurde und Renaissance-Künstler nackte, muskulöse menschliche Körper im Herzen des Vatikans malten. Leider trugen die meisten unserer wissenschaftlichen Kollegen vor 500 Jahren nicht dazu bei, das Mysterium der nächtlichen Flüge auf Besenstielen aufzuklären, obwohl sie – wie Shakespeare – mit großer Wahrscheinlichkeit die halluzinogenen Wirkungen mancher Pflanzen kannten. Aber warum deckten die „Hexen“ nicht selbst den Ursprung ihrer Träume auf? Meiner Meinung nach hatte kaum eine von denen, die angeklagt, gefoltert und verbrannt wurden, Halluzinationen durch die Anwendung giftiger Pflanzen oder sonstiger Handlungen erlebt. Im Angesicht der schätzungsweise 60 000 Opfer in Europa könnte man anfangen zu glauben, der Teufel selbst habe seine Hand im Spiel gehabt.
Web References
- w1 – Der deutsche original Text ist online verfügbar.
Resources
- Behringer W (2001) Hexen und Hexenprozesse in Deutschland. München, Deutschland: Deutscher Taschenbuch Verlag
- Fuchs L (1543) New Kreüterbuch. Basel, Switzerland: Durch M. Isingrin
- Hardman JG, Limbird LE, Goodman Gilman A (eds; 2001) Goodman & Gilman’s The Pharmacological Basis of Therapeutics, 10th Edition. New York, NY, USA: McGraw-Hill
- Hartlieb J (1989) Das Buch aller verbotenen Künste, translated by Eisermann F, Graf E. Ahlerstedt, Deutschland: Param
- Institoris H (1982) Malleus maleficarum, translated by Schmidt JWR. München, Deutschland: Deutscher Taschenbuch Verlag
- Scherf G (2002) Zauberpflanzen – Hexenkräuter. München, Deutschland: BLV
- Dr Angelika Börsch-Haubold, gelernte Pharmazeutin und Pharmakologin, unterrichtet regelmäßig an der Fachhochschule Weihenstephan, Freising, Deutschland.
Review
Wer glaubt, naturwissenschaftlicher Unterricht sei für Lehrer oder Schüler langweilig, wird nach diesem Artikel sicher seine Meinung ändern. Angelika Börsch-Haubold nimmt uns mit auf eine spannende Reise durch englische und deutsche Literatur, Geschichte, Botanik, menschliche Physiologie und Biochemie, um Dichtung und Wahrheit der Hexenheilkunst auf den Grund zu gehen.
Auch wenn das besprochene Thema sehr spezifisch ist, ist der Stil des Artikels sehr eingängig, klar und deutlich. Die Informationen werden durch eine Fülle von Belegen unterfüttert: Zitate, Originaltexte mit Übersetzungen, Tabellen, Bilder und Literatur-Referenzen.
Der Artikel sowie die vorgeschlagenen Unterrichtsaktivitäten (zu den erwähnten Pflanzen und den Nebenwirkungen antimuskarinerger Drogen) sind vor allem für die Sekundarstufe II geeignet, können jedoch etwas abgewandelt auch für die Sekundarstufe I verwendet werden – sowohl im Naturwissenschafts- wie auch im geisteswissenschaftlichen Unterricht.
Der interdisziplinäre Ansatz ist sogar ein wesentlicher Pluspunkt des vorliegenden Materials und ermöglicht es, die vorgestellten Aktivitäten auf verschiedene Fachgebiete (Biologie, Chemie, Geschichte) auszudehnen, und relevante Themen wie etwa Drogenmissbrauch zu behandeln (Gesundheitserziehung).
Die Methodik, die die Autorin verwendet, kann nicht zuletzt auch auf andere wissenschaftliche Themen angewandt werden, indem man ihnen durch einen erweiterten kulturellen Ansatz tiefere Bedeutung und zusätzlichen Reiz verleiht.
Wenn Sie also eine besondere Unterrichtsstunde für Halloween benötigen… halten Sie diesen Artikel bereit!
Giulia Realdon, Italien