Von Raumfahrtballons, Erdbeben und Mausefallen: Science on Stage! Inspire article

Übersetzt von Olaf Brust. Science on Stage und die European Science Teaching Awards 2005: Auswahl der Besten der Besten, wie sich die Jury entschieden hat und Extra-Artikel. Myc Riggulsford, britischer Moderator wissenschaftlicher Sendungen und Barbara Warmbein von der europäischen…

Barbara Warmbein, die
Autorin

Elegant, leicht heruntergekommen, ein wenig verrückt, mit wirrem Haar und großartig: Die besten Nawi-Lehrer trafen sich im November 2005 im CERN in Genf, um die Besten der Besten in Physik, Chemie, Biologie, Mathematik und allgemeinem Naturwissenschaftsunterricht zu feiern.

Nun ja, mit „leicht heruntergekommen“ tut man der schwedischen Delegation sicher Unrecht, die trotz der Kälte im Festzelt und dem Schnee draußen in Abendkleidung erschien. Im Rahmen des Nobel-Preis Junior Projekts zeigten sie, sehr dynamisch, dass Wissenschaft Spaß machen kann, indem sie Lieder sangen und selbst Eis herstellten. Und Spaß machte es, selbst wenn man von den 17.000€ Preisgeldern, die es bei der Abschlussveranstaltung (Science on Stage) zu gewinnen gab, absieht.

Wie entscheidet aber jetzt eine Jury genau, welche Spitzenprojekte – unter den vielen, die alle irgendwie Schüler für die Wissenschaft begeistern konnten, weitere Auszeichnungen und Ehrungen verdienen?

Myc Riggulsford, der Autor

Die Mitglieder der Jury haben alle unterschiedliche Hintergründe: Eleanor Hayes, Redakteurin von Science in School, Henri Boffin von der europäischen Südsternwarte (ESO), Chris Warrick vom europäischen Abkommen zur Entwicklung der Fusionsforschung (EFDA) und Fernand Wagner, Präsident der European Association for Astronomy Education (EAAE) und praktizierender Physiklehrer.

Und uns: Barbara Warmbein, Redakteurin bei der europäischen Weltraumorganisation und Myc Riggulsford, Journalist und Moderator, der die Höhepunkte bei Science on Stage präsentierte – eine Neuerung des diesjährigen Festivals, bei der noch einmal die besten Projekte auf der Bühne vorgestellt wurden.

Die Jury bewertete die Qualität des Unterrichts, Einfallsreichtum und Motivation der Schüler. Die europäischen Science Teaching Awards werden von der europäischen Kommission und dem EIROforum, einer Arbeitsgemeinschaft der internationalen europäischen Forschungseinrichtungen, mit Preisen unterstützt. Diese halfen herausragende Modelle und Methoden anderen europäischen Kollegen zugänglich zu machen. Science on Stage wurde in 29 Ländern durchgeführt. Tausende Lehrerinnen und Lehrer aus ganz Europa beteiligten sich. Der Wettbewerb endete mit 500 nationalen Gewinnern, die ihre Länder im CERN, der weltgrößten Teilchenbeschleuniger, vertraten.

Die verschiedenen Beiträge waren alle auf ihre Weise ausgezeichnet und anregend. Man machte den Juroren ihre Arbeit wirklich nicht leicht. Wir entschieden uns, auf Sonderkriterien zu achten, zum Beispiel, ob das Projekt Mädchen für Physik und Chemie – die traditionell als Männerdomäne betrachtet werden – begeistern kann. Das konnte zum Beispiel das dänische Projekt, bei dem recycelter Kupferdraht abgezogen und in Silberschmuck verwandelt wurde. Eine einfache, aber geniale Idee von Nanna Kristensen.

Wir wollten Projekte, die fächerübergreifend sind und von allen Lehrern in allen Schulformen übernommen werden können. Und wir wollten neue Ideen und Denkweisen, die die Wissenschaft einmal von einer anderen Seite angehen.

Zu viele Physiklehrer hatten zu lange eine geistige Mauer um ihre Experimentierräume. Deshalb war es eine Freude, die britische Bibliothekarin Mandy Curtis zu sehen, die mit einem fächerübergreifenden Projekt das Einstein-Jahr feierte und so deutlich machte, dass viel mehr eher geisteswisschenschaftlich ausgerichtete Schüler mit der richtigen Heransgehensweise auch außerhalb der Labore erreicht werden können. In einem ähnlichen Ansatz bediente sich der italieniche Lehrer Gianluca Farusi eines Renaissancemeisterwerks des Malers Piero della Francesca, um die Chemie der Pigmentextraktion und die Physik forensischer Gemäldeanalyse zu demonstrieren (vgl. Teaching science and humanities: an interdisciplinary approach in dieser Ausgabe von Science in School).

Uns war bewusst, dass einige Schulen bessere Voraussetzungen haben und ihnen mehr Mittel zur Verfügung stehen als anderen. Deshalb haben wir besonders darauf geachtet, wie Projekte aus Ländern des früheren Ostblocks wichtige wissenschaftliche Prinzipien und komplexe Sachverhalte auf einfache Art und Weise darstellen und so das Beste aus knappen Ressourcen machen. Wir sahen Stände so voll mit Modellvulkanen, nachgebauten Einschlagkratern, Magneten, Schalttafeln, Kerzen und elektrostatischen Perücken, mit Lehrern, die ihre Experimente mit so viel Begeisterungsfähigkeit vorführten, dass man nur wie gebannt dastehen – und zuschauen musste.

In der Kategorie „billig aber erfolgreich“ ragten die Modelle des deutschen Beitrags von Tobias Kirschbaum heraus. Er hatte seine Schülern vor das Problem gestellt, herauszufinden, wie alte chinesische Seismographen funktionierten. So entwarfen sie ein Modell, das eine Murmel aus dem Maul eines Drachen fallen lässt. Da die Drachenmäuler kompassförmig angeordnet sind, ist der betroffene Drache ein Hinweis auf die Richtung, aus der das Erdbeben kommt. Mit Fahrradspeichen und Gummibändern wurde die Wellenverbreitung dargestellt. (vgl. Erdbeben zurückverfolgen: Seismologie im Klassenzimmer in dieser Ausgabe von Science in School).

In einer außergewöhnlichen Kombination aus Recycling, Kunst und Biologie machte Evanthia Papanikolau aus Griechenland eine wunderbare DNS-Helix aus PET-Flaschen, die an ihren Drehverschlüssen aneinander gebunden waren. Auf diese Weise entsprachen sie nicht nur ihren biologischen Pendants im richtigen Größenverhältnis, sondern konnten auch durch einfaches Öffnen der Schraubverschlüsse und Verbinden mit anderen Flaschen die Zellteilung darstellen.

Wir konnten uns nicht auf unsere beste Definition für „Innovation“ einigen. Suchten wir nach neuen Wegen alte Wissenschaft zu unterrichten? Oder alte Methoden, um neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu vermitteln? Oder neue Methoden für neue Erkenntnisse? Schließlich wohl nach all diesem. Aus Portugal trafen wir Maria Matos und Maria Carvalho, die Mustersammlungen von Pilzen und Flechten benutzten, um im Vergleich verschiedene Arten bestimmen zu können, die sie bei Exkursionen gefunden hatten. So kann man aber auch auf billige und einfache Art Luft- und Wasserverschmutzung messen, was einmal mehr zeigt, dass die Taxonomie neue Aktualität haben kann.

Es gab keine Preiskategorie für Teamleistung, ein Land oder einen bestimmten Stand. Vielleicht hätte sonst die schwedische Gruppe einen Preis für ihre täglichen Themenauftritte gewonnen. Man kam an einem Tag in voller Abendgarderobe, am nächsten in Astronautenanzügen. Wir suchten nach individuellen Experimenten, einer ganz besonderen Lehrerin, oder einem ganz besonderen Lehrer, die sich von den anderen abhoben.

Eine ungarische Schülerin
demonstriert ein Modell des
Nervensystems

Manche Versuche präsentierten sich in interessanten Themenpaketen, wie zum Beispiel die Bomben, Raketen und andere Actionmodelle von Eilish McLoughlin und Kollegen aus Irland. Ähnlich beeindruckt waren wir von Wim Peeters aus Belgien, dessen Experimentierkiste „Physik ist cool“ an jeder Schule eingesetzt werden kann. Sie setzte sich knapp gegen Giorgio Häusermanns schweizer Version „Einsteins Box“ durch.

Zwischen all diesen Physikern fanden wir auch Biologen, die, manchmal über die Fächergrenzen hinweg, neue Wege fanden, die Funktionen des menschlichen Körpers zu erklären. Uns gefiel ein funktionsfähiges Modell des Herzens von Dimitris Zamagias aus Griechenland, aber schließlich ging der Preis an Agota Lang aus Ungarn für ihr Nervenmodell „Garfield, die faule Katze“ und an Jerzy Jarosz und Aneta Syczygielska für ihr herausragendes Ganzkörpermodell, das die Funktionsweise des Herzkreislaufsystems am polnischen Stand zeigte.Unsere größte Stütze als Juroren waren die Lehrerinnen und Lehrer selbst, da wir manchmal einfach nur den Massen folgten, um zu sehen, was die Leute am meisten fasziniert und welche Experimente die beliebtesten waren. Hätten wir einen Preis für die pure Lebhaftigkeit, Enthusiasmus und auch Gefahr gehabt, wäre er sicher an die gesamte spanische Delegation gegangen, deren schiere Energie, sowohl vor als auch hinter den Kulissen, jeden gefangen nahm – und Myc fast seine Augenbrauen kostete.

Die Mausefalle: läuft ewig

Leider konnten wir nicht allen einen Preis geben. So blieben zum Beispiel Michael Sach aus Deutschland mit den von Mausefallen betriebenen Rennautos seiner Schüler ebenso außen vor wie Alberto Florentin aus Zypern, der als Software-Entwickler ein computergestütztes Unterrichtswerkzeug mitgebracht hatte. Auch das einfache rumänische Modell eines Augapfels, hergestellt aus einer Shampooflasche, konnte leider nicht berücksichtigt werden. Hätte es einen Preis für das effektivste, aber zugleich einfachste Experiment ohne technischen Aufwand gegeben, dann wäre er sicherlich nach Ungarn gegangen – für den simplen Trick, mit einem Blatt Papier und einem Stück Holz Luftdruck und Widerstand zu demonstrieren.

Das Experiment, das am besten den Geist von Science on Stage verkörperte und mit 4000€ als Hauptgewinn ausgezeichnet wurde, war Catherine Garcia-Maisonniers Wetterballon, dessen Gondeln von ihren Schülern entworfen, gebaut und ausgerüstet wurden. Geduldig diskutierten sie, was und wie sie messen wollten. Was zu schwer und zu unpraktisch war, wurde gestrichen, sodass schlussendlich ein herausragendes Luftfahrtexperiment zustande kam, das sich mit vielen Fragen der Wissenschaft befasst und zu einem erstaunlichen Höhenflug ansetzte.

Ein großes Lob an alle – Sie machen sowohl die Wissenschaft als auch Europa um einiges bunter. Die Kinder von heute brauchen die Inspiration von Ihnen als Mathe-, Bio-, Physik-, und Chemielehrerin oder –lehrer, um die Wissenschaftler von morgen zu werden. Sie haben unsere Erwartungen übertroffen. Es hat Spaß gemacht, mit Ihnen zu arbeiten und zu sehen, wie viel Spaß Wissenschaft machen kann. Schade nur, dass Sie nicht schon da waren, als wir zur Schule gingen.

Alles, was für Sie jetzt noch zu tun bleibt, ist dem Rest der Welt davon zu erzählen. Sie können Science on Stage doppelt aufwerten, wenn Sie Ihre Bescheidenheit beiseite legen und Zeitungen, Radio und Fernsehen über Ihren Erfolg informieren. Arbeitet Ihr Cousin vielleicht bei der Zeitung? Ist ihr Nachbar eventuell Journalist? Erzählen Sie den Leuten davon, stecken Sie Ihre Kollegen und die Schulkinder mit Ihren Ideen an, damit das verstaubte Klischee von langweiligen Naturwissenschaftsstunden genauso zu den Akten gelegt werden kann, wie das des verrückten Professors, das Sie bei Science on Stage allesamt widerlegt haben.

Machen Sie mit bei Science
on Stage 2007!

Bei Science on Stage geht es nicht um Preise und ums Gewinnen – sondern um Austausch und Inspiration. Aber die European Science Teaching Awards (Europäischen Nawi-Unterrichtspreise) sind Teil des Vergnügens; sie sind etwas, das man zu Hause vorzeigen kann, eine Anerkennung der Leistungen. Wenn Sie dieses Jahr keinen Preis gewonnen haben, versuchen Sie es nächstes Jahr wieder bei Science on Stage 2, in Grenoble, Frankreich, vom 2. bis 6. April 2007. Engagieren Sie sich schon jetzt bei Ihrer nationalen Veranstaltung – alle Details finden Sie auf der Science on Stage Homepage.

Bei Science on Stage geht es weder in erster Linie um Preise noch um Wettbewerb. Es geht um Austausch und Inspiration. Aber die European Teaching Awards machen natürlich Spaß. Man kann sie zu Hause herumzeigen und hat eine Anerkennung für die Mühe, die man sich gemacht hat. Wenn Sie in diesem Jahr keinen Preis bekommen haben, versuchen Sie es doch einfach bei Science on Stage 2. Es findet vom 2. bis zum 6. April 2007 in Grenoble statt. Machen Sie jetzt schon bei Ihren nationalen Wettbewerben mit – alle Infos finden Sie auf der Science on Stage Homepag.


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