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Übersetzt von Veronika Ebert, Höhere Bundeslehr- und versuchsanstalt für chemische Industrie, Wien. Anastasios Koutsos, Alexandra Manaia, und Julia Willingale-Theune bringen eine ausgeklügelte molekularbiologische Technik in das Klassenzimmer.
Es war einmal ein kleines Dorf, in dem ein Mann lebte. Jeden Tag ging er zu einem Teich, um für sein Abendessen Fisch zu fangen. An einem Tag war es ein Wels, am nächsten Tag ein Aal – manchmal wird es an jedem Wochentag ein anderer Fisch gewesen sein. Eines Tages fragte sich der Mann, wie viele unterschiedliche Fischarten in dem Teich eigentlich leben, und wie viele Exemplare jeder Art. Wie sollte er das in Erfahrung bringen? Logischerweise konnte das Herausfischen eines einzelnen Fisches diese Frage nicht klären. So suchte er im Internet nach Ideen und fand dabei ein Buch, das 20 000 Arten von Süßwasserfischen auflistet. Darin war für jede Fischart ein Köder angegeben, der geeignet ist, um sie zu fangen.
Irgendwann einmal fiel ihm eine komplizierte, aber clevere Lösung für seine Frage ein: er legte in dem Teich 20 000 Angelschnüre aus, jede mit einer Reihe von Haken. Dann fixierte er einen ganz bestimmten, aus der Lektüre seines Fischbuchs bekannten Köder am Haken jeder Angelschnur. Er wollte damit jeweils nur eine ganz bestimmte Fischart anlocken. Dadurch hatte er unterschiedliche Angelschnüre, mit denen alle Fischarten eingefangen werden konnten. Dann wartete er einfach bis die Fische am jeweiligen Köder angebissen hatten, und sammelte seinen Fang ein.
[Anmerkung: das ist eine erfundene Geschichte: es gibt etwa 9000 Süßwasserfischarten, und es sind keine Köder bekannt, die nur eine einzige Art anlocken.]
In einer Zeit, in der die Sequenz des menschlichen Genoms (neben den Genomsequenzen vieler anderer Organismen) veröffentlicht worden ist, stellt sich die Herausforderung, die Bedeutung der einzelnen Gene aufzuklären. Dafür haben Wissenschaftler/innen ausgeklügelte Hilfsmittel entwickelt, zu denen der DNA Mikroarray gehört.
Unsere Geschichte vom Fischer ist frei erfunden, aber die Prinzipien, die der Mann genutzt hat, um die Zahl der Fische im Teich zu ermitteln, ähneln jenen, die bei DNA Mikroarrays eingesetzt werden. Diese Technologie hat die Art und Weise, wie Wissenschafter/innen lebende Prozesse sehen, revolutioniert.
Bis in die 1990er Jahre konnten Biologen nur die Aktivität einiger weniger Genen gleichzeitig messen. Ein Gen ist dann aktiv, wenn es in sein Botenmolekül, die mRNA übersetzt wird. Diese mRNA wird anschließend genutzt, um eines oder mehrere Proteine herzustellen.
Enttäuscht über die Tatsache, dass es unmöglich war, die Expression aller Gene in einer Zelle gleichzeitig zu verfolgen, begannen Wissenschaftler/innen nach Wegen zu suchen, dies dennoch zu erreichen. Dabei muss ermittelt werden, wie viele mRNA´s zur gleichen Zeit in einer Zelle vorhanden sind, und zu welchem Gene sie gehören. Diese revolutionäre Idee gipfelte in der Entwicklung der Mikroarrays. Die Wissenschaftler/innen schufen etwas, das den 20 000 Angelschnüren in unserer Geschichte entspricht.
Sie verwendeten ein Stück vorbehandeltes Glas, ähnlich aussehend wie ein Objektträger für die Mikroskopie und fixierte Abschnitte einzelsträngiger DNA auf der Oberfläche. Dabei entsprach jeder DNA-Abschnitt einem einzigen Gen. Diese DNA-Stränge wirkten dann als Köder für das zum jeweiligen Gen zugehörige mRNA-Molekül, genauso wie ein bestimmter Köder eine bestimmte Fischart anlockt. Mit freiem Auge betrachtet wirken diese Gruppen von DNA-Strängen wie kleine Punkte. Jedes Glasplättchen wird mit tausenden solcher Punkte in regelmäßiger Anordnung bedruckt, man spricht dann von einem Mikroarray.
Mikroarray-Experimente können sehr zeitaufwändig sein. Zuerst müssen die Plättchen von den Wissenschaftler/innen vorbereitet werden, dann muss die Information tausender Punkte ausgewertet werden. Die Analyse erfordert mathematische und statistische Expertise, und kann Monate dauern. Um die zu Grunde liegenden Konzepte dieser Technologie im Unterricht illustrieren zu können, ist die Verwendung eines Modells zweckmäßig.
Der virtuelle Mikroarray w1der vom European Learning Laboratory for the Life Sciences (ELLS)w2 am European Molecular Biology Laboratoryw3entwickelt worden ist, beschreibt eine Unterrichtsaktivität, die ein Mikroarray-Experiment mit Alltagsmaterialien nachstellt. Das Spiel simuliert die verschiedenen Arbeitsschritte der Wissenschaftler/innen bei der Durchführung und Auswertung von Mikroarray-Experimenten. Es eignet sich für 16-18-Jährige, und kann als ergänzende Aktivität bei den Themengebieten Genetik, Zellentwicklung und Erbkrankheiten eingesetzt werden.
Die nachfolgende Anleitung beschreibt Schritt für Schritt, wie ein wirkliches Mikroarray-Experiment durchgeführt wird, und, parallel dazu, die Schritte des virtuellen Mikroarrays. In dieser Unterrichtsaktivität wird der virtuelle Mikroarray verwendet, um die Unterschiede in der Genexpression einer normalen Zelle und einer Krebszelle festzustellen. Technische Informationen und Empfehlungen für die Durchführung des virtuellen Mikroarray-Experiments in der Klasse können von der ELLS TeachingBase (‘In the classroom’ PDF)w1 herunter geladen werden.
Wenn alles vorbereitet ist, benötigt man für die Basisaufgabe etwa eine Stunde. Die anschließende Auseinandersetzung mit der Thematik kann entweder in der Klasse als Diskussion stattfinden, oder als Hausaufgabe aufgegeben werden.
Genname (Kreise) | Genfarbe | mRNA-Menge für das jeweilige Gen (Zahl der Klettverschlussstreifen) | Menge der mRNA in der normalen Zelle (grüne Klettverschluss-Streifen) | Menge der mRNA in der Krebszelle (rote Klettverschluss-Streifen) |
---|---|---|---|---|
alexander fleming | 3 | 0 | 3 | |
barbara mcclintock | 7 | 1 | 6 | |
francis crick | 18 | 9 | 9 | |
jacques monod | 4 | 4 | 0 | |
james watson | 0 | 0 | 0 | |
john kendrew | 3 | 2 | 1 | |
leo szilard | 12 | 9 | 3 | |
maurice wilkins | 6 | 3 | 3 | |
rosalind franklin | 2 | 1 | 1 | |
thomas morgan | 12 | 4 | 8 |
Der Raum sollte abgedunkelt werden können (Vorhänge oder Rollos).
DNA-Mikroarrays werden auf kleine Glasplättchen, die Objektträgern für die Mikroskopie ähneln, aufgedruckt. Da es sehr schwierig ist, kleine Tropfen per Hand auf eine Glasoberfläche aufzusetzen, wurden spezielle Druckroboter entwickelt. Ihre Druckköpfe haben spezielle Spitzen, mit denen die wässrige DNA-Lösung von einem Reservoir in regelmäßiger Anordnung auf das Glas übertragen werden können. Durch die Steuerung des Roboters können alle Eigenschaften des Arrays bestimmt werden: die Zahl und Größe der Punkte, sowie der Abstand zwischen den Punkten. Pro Glasplättchen können bis zu 20 000 Flecken aufgedruckt werden, jeder Punkt enthält Millionen Kopien eines DNA-Moleküls, das für ein bestimmtes Gen kodiert.w4.
Der erste Arbeitsschritt eines realen Mikroarrayexperiments ist die Reinigung der mRNA aus den Zellen beider Untersuchungsstadien z.B. aus normalen Zellen und aus Krebszellen. Die mRNA wird mit herkömmlichen Labormethoden gereinigt und anschließend mit einem Fluoreszenzfarbstoff markiert, z.B. grün für jene aus normalen Zellen, und rot für jene aus Krebszellen.
Die fluoreszenzmarkierte mRNA wird durch kleine Lampen repräsentiert. Jede Lampe entspricht dem Einzelstrang einer mRNA eines bestimmten Gens. Grüne Lampen repräsentieren mRNA, die aus normalen Zellen extrahiert worden ist, rote Lampen jener aus Krebszellen.
Bei der Hybridisierung werden die Kontroll-mRNA- (grün) und die Test-mRNA-Lösungen gemischt, und auf die Oberfläche eines Mikroarrays aufgebracht, damit sie an die komplementären, immobilisierten DNA-Stränge binden können. mRNA-Moleküle, deren Sequenz keine Komplementarität zu einem Gen haben, werden nicht binden. Jene, die teilweise komplementär sind, werden schwach binden (unspezifische Hybridisierung). Letztere werden durch einen nachfolgenden Waschschritt entfernt.
Jetzt ist es Zeit, die Ergebnisse des Experiments zu erfassen, um zu erkennen, welche mRNA mit einem Gen hybridisiert hat. Da mRNA-Moleküle mit freiem Auge nicht sichtbar sind, kann die Menge der gebundenen mRNA durch die Messung der Fluoreszenz jedes Flecks nur indirekt ermittelt werden. Dazu wird ein spezieller Laser verwendet. Die rote und grüne Fluoreszenz wird unabhängig voneinander gemessen, und zwei Bilder erzeugt. Durch Überlagerung dieser beiden Bilder erhält man ein charakteristisches Muster von färbigen Punkten (siehe Abbildung rechts). Ein roter Punkt zeigt, dass das Gen in der Krebszelle, ein grüner Punkt, dass es in der normalen Zelle aktiv ist. Ein gelber Punkt bedeutet, dass das entsprechende Gen in beiden Zellen gleich aktiv ist.
Die Analyse des Mikroarray-Experiments beginnt mit der Messung der Fluoreszenzintensität der einzelnen Punkte. Dies bewerkstelligt ein Scanner automatisch. Obwohl sich die Analyse des erhaltenen Bildes in verschiedenen Experimenten unterscheidet, wird häufig damit begonnen, die Gene, die ein ähnliches Verhalten aufweisen, zu gruppieren, das nennt man „Clustern“. Nach dem Clustern versuchen die Wissenschafter/innen Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den Genen eines Clusters heraus zu arbeiten.
Je nach Gruppierungsmethode findet man entweder eine Gruppe von Wissenschaftler/innen, die die Doppelhelix entdeckten, eine Gruppe von Genetiker/innen, eine Gruppe von Wissenschaftler/innen, die mit Mikroorganismen arbeiten, oder Wissenschafter/innen, die für die Gründung des Molecular Biology Laboratory verantwortlich waren.
Nach Durchführung des Mikroarray-Experiments können Schüler/innen über die Verwendung von Mikroarray-Experimenten in der biomedizischen Forschung und medizinische und ethische Auswirkungen dieser Technologie diskutieren. Weiterführende Informationen gibt es im „Reading club“ (Leseklub) in der ELLS TeachingBASEw1, in dem Original-Forschungspublikationen abrufbar sind, die die Verwendung von Mikroarrays zur Beantwortung wichtiger biologischer Fragestellungen beschreiben.
Die Autoren/innen danken Rosanna de Lorenzi für das Spielen und die Verfeinerung des Spiels. Sie danken auch Mehrnoosh Rayner für die Kommentierung des Artikels, Thomas Sankmann für die Hilfe zu Beginn der Entwicklung des Mikroarrays, und John Watson für hilfreiche Diskussionen.
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